Das Klima retten, nicht den Kapitalismus

Beschluss der 2. Tagung des 9. Landesparteitags

„Die menschengemachte Klimakrise ist die größte Herausforderung des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Ihre Auswirkungen gefährden die Lebensgrundlagen von heutigen und zukünftigen Generationen. Mit der Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens am 5. Oktober 2016 hat sich die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, den notwendigen eigenen Beitrag zu leisten, um die globale Erderwärmung auf möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen.“[1]

Wir sind schon mitten in der klimatischen und ökologischen Katastrophe und jedes Zehntel Grad hilft die Folgen und Verschlimmerungen zu verlangsamen und unserer Zivilisation zu ermöglichen weiter zu existieren.

Die bisherige Klimapolitik verschiedener Bundesregierungen sowie des rot-grünen Hamburger Senats zeigt deutlich, dass der „notwendige eigene Beitrag“ nur so weit reicht, wie er die Lobbykreise von Auto- und Rüstungsindustrie, Immobilienwirtschaft und fossiler Energie nicht stört, die die Verantwortung lieber auf die Einzelnen abwälzen (CO2-Fußabdruck-Lüge lässt grüßen).

Der aktuelle Klimaplan des Hamburger Senats wird das 1,5°-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens jedenfalls reißen, wie der rot-grüne Senat bereits Ende 2023 selbst eingestanden hat.

Der Hamburger Zukunftsentscheid setzt diesem politischen Zögern, Zaudern und Versagen die Chance entgegen, das Scheitern von Paris nicht hinzunehmen.

Sollte der Zukunftsentscheid angenommen werden, wird das Klimaneutralitätsziel von 2045 auf 2040 vorgezogen, was unbedingt notwendig ist, um die Aufheizung des Planeten zu begrenzen.

Im Gegensatz zum bisherigen Klimaplan des Senats sieht der Zukunftsentscheid die Etablierung verbindlicher Jahresemissionsbudgets und Sofortprogrammpflichten zum Gegensteuern bei Nichterreichen vor, was die öffentliche Hand gegenüber dem Markt stärkt und rechtliche Verbindlichkeit schafft.

Außerdem sind alle Klimaschutzmaßnahmen zwingend sozialverträglich auszugestalten. Die Initiator*innen des Zukunftsentscheid haben richtig erkannt, dass es besonders Menschen mit geringerem Einkommen sind, die bereits jetzt unverhältnismäßig von Klimawandelfolgen betroffen sind. Während Wohlhabende oft in den kühleren Quartieren der Stadt leben, sind wir anderen den gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Während die Reichen die Klimaanlage anschalten, hecheln wir anderen nach Luft. Und wir werden es auch sein, unter denen der Großteil der über 30.000 zusätzlichen jährlichen Hitzetote in europäischen Großstädten zu beklagen sein wird. „Die stärkere Berücksichtigung von sozialen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen ist deshalb auch ein Gebot materieller Gerechtigkeit.“[2]

Für Die Linke gehören Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit untrennbar zusammen. Am 12. Oktober können wir uns dafür entscheiden, dies ambitioniert und verbindlich dem Senat ins Stammbuch zu schreiben. Die Linke stimmt mit: Ja! 

Die Chancen für eine Annahme des Zukunftsentscheid stehen gut, denn bei der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen ist das größte Hemmnis schon lange nicht mehr fehlendes Problembewusstsein der Menschen. Allein 85% der EU-Bürger*innen geben laut im Juni 2025 veröffentlichten Eurobarometer an, dass sie den Klimawandel als eine ernsthafte Bedrohung für die Welt ansehen.

Der größte Bremsklotz auf dem Weg in die Klimaneutralität ist vielmehr der so dogmatische wie irrsinnige Glaube, dass das kapitalistische Wirtschaften, das maßgeblich verantwortlich ist für die fortschreitende Klimakatastrophe, auch gleichzeitig die Werkzeuge zum Lösen der Krise bereitstellen würde.

Der Kapitalismus und das Streben nach unendlichem Wachstum auf einem endlichen Planeten führen in letzter Konsequenz dazu, dass diejenigen Staaten und internationalen Konzerne, deren Reichtum auf der kontinuierlichen Ausbeutung der Natur zum Kapitalwachstum basiert, effektiven Klimaschutz permanent behindern und unterlaufen, um ihr Geschäftsmodell und ihre geopolitische Bedeutung zu bewahren. Dass die besonders vom Klimawandel betroffenen Staaten, deren Volkswirtschaften nicht groß genug sind, um im Konzert der Industrienationen mitspielen zu dürfen, ignoriert werden. Und dass sich vermeintlich progressive Regierungen, die im Märchen vom grünen Kapitalismus die Rettung erhoffen, regelmäßig verwundert die Augen reiben, warum ihre unverbindlichen Zielwerte trotz ausgiebigster Nutzung verschiedener marktwirtschaftskonformer Werkzeuge schon wieder nicht eingehalten werden konnten.

Zudem reproduzieren und verfestigen die Maßnahmen, die innerhalb der Logik des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems funktionieren, die gesellschaftlichen Ungleichheiten.

Plänen der EU-Kommission gemäß sollen Mitgliedsstaaten ab 2036 Klimaprojekte in Nicht-EU-Ländern finanzieren und sich die so erreichten Emissionssenkungen selbst gutschreiben dürfen. Mit diesem institutionalisierten Ablasshandel wird auf staatlicher Ebene fortgesetzt, was auf individueller Ebene mit CO2-Kompensationen bei Flügen und Reisen schon lange gang und gäbe ist: Wer das Geld hat, kann sich aus der Verantwortung rauskaufen, während alle anderen dem steigenden CO2-Preis hilflos ausgeliefert sein werden.

Letztlich folgen Deutschland, die EU, Nordamerika und andere Industriestaaten mit ihrer Klimaschutzpolitik dabei einer kolonialen Tradition. 150 Jahre lang wurde die Atmosphäre als gebührenfreie Müllkippe genutzt und die Kosten dafür den Ländern des globalen Südens aufgebürdet. Diejenigen, die das Problem maßgeblich verursacht haben, dominieren jetzt aber weiterhin die internationalen Klimaverhandlungen, lagern die Maßnahmen aus und setzen beim Abbau von Lithium und Kobalt für die westliche Energiewende die kolonialen Ausbeutungsverhältnisse fort, die jahrhundertelang bei der Förderung von Gold, Silber, Diamanten, Kupfer und anderer Rohstoffe und Güter perfektioniert worden sind. Als Hamburger Linke sehen wir auch dies als Teil des kolonialen Erbes unserer Stadt an.

Eine wirksame linke Klimapolitik muss daher auch immer antikolonialistisch und internationalistisch sein. Daher sind wir uns klar darüber, dass die Senkung der Hamburger CO2-Emissionen auf 0 nicht ausreicht, solange Konzerne ihre Produktion in Staaten mit menschenwidrigen Arbeitsbedingungen auslagern. Auch wird weiterhin über den Hamburger Hafen Müll in den globalen Süden verschifft, um dort verbrannt zu werden. Um unserer Rolle als Linke im internationalen Hamburg gerecht zu werden, müssen wir über unsere Stadtmauern hinausdenken und -wirken. 

Eine wirksame linke Klimapolitik muss immer auch sozial sein. Deswegen orientieren wir uns bei den Klimaanpassungsmaßnahmen und dem Kampf gegen die Folgen von Hitzewellen, Dürre und Starkregen und anderen Klimagefahren an den Bedürfnissen der vulnerablen Gruppen unserer Gesellschaft.

Eine wirksame linke Klimapolitik muss immer antimilitaristisch sein. Während die EU-Kommission und Finanzmärkte Rüstungsaktien als nachhaltiges Investment framen, ist für uns klar: Am nachhaltigsten ist die Waffe, die nie gebaut wurde. Die andauernde Hochrüstung kostet Ressourcen, die für dringende Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität benötigt werden. Die umfassende Militarisierung der Gesellschaft verhindert eine gemeinschaftliche Bewusstseinsbildung für die Klimakatastrophe. Wer den Planeten retten will, muss sich für Frieden einsetzen.

Eine wirksame linke Klimapolitik muss konsequent sein. Leere Versprechungen und unambitionierte Ziele und Maßnahmen haben in den letzten Jahrzehnten der Zerstörung von Klima und Umwelt keinen Einhalt geboten, da endloses Wirtschaftswachstum, kapitalistische Ausbeutung und der Vorrang von Profitinteressen den Klimaschutz stets ausgestochen haben. Konsequente Klimapolitik erfordert eine wirtschaftliche Transformation und ein Ende der Ausbeutung des Planeten.

Und eine wirksame linke Klimapolitik muss immer klassenorientiert sein. Nur dann, wenn wir die Interessen der (Reproduktions-)Arbeiter*innen konsequent in den Mittelpunkt unserer Politik stellen, können wir gleichermaßen die gesellschaftlichen Mehrheiten für wirksamen Klimaschutz organisieren und mit ihnen eine demokratisierte Wirtschaft formen, deren Produktion sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und mit dem profitgetriebenen endlosen Ressourcenverbrauch bricht.

Für eine Politik, die den Menschen dient, und nicht den Märkten. System Change – Not Climate Change!
 


[1] Aus der Gesetzesbegründung zum Zukunftsentscheid: zukunftsentscheid-hamburg.de/forderungen/gesetz-begruendung

[2] Aus der Gesetzesbegründung zum Zukunftsentscheid

Verwandte Links