Wahlprüfsteine Hamburger Sportbund vom 6.12.2019

1. Zukunft der Sportförderung in Hamburg:

Die letzten beiden Sportfördervertragsverhandlungen sind konfrontativ verlaufen und haben zu monatelangen Verhandlungen geführt. Kurze Vertragszyklen binden viele Ressourcen und haben quasi zu einer Dauerverhandlung geführt.

Wie stellen Sie sich eine Sportförderung für Hamburg zukünftig vor und welche inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Verfahren und Abläufe sehen sie? 

Als wichtiger Faktor für Gesundheit, gesellschaftliche Vernetzung und Zusammenhalt benötigt Sport langfristige Planung. Dies ist mit den wiederholten Verhandlungen des Sportfördervertrags nicht möglich. In diesem Rahmen muss bisher alle zwei Jahre von Neuem die Existenz des Sports in Hamburg verhandelt werden. DIE LINKE fordert stattdessen, den Sportfördervertrag in ein Sportfördergesetz umzuwandeln. So soll sichergestellt werden, dass Sport in Hamburg langfristig geplant wird und an den tatsächlichen Bedarfen ausgerichtet wird.

2. Sport, Nachhaltigkeit und Umwelt

Sowohl die vereinseigenen Sportanlagen als auch die städtischen Sportrahmenvertragsflächen bieten die Möglichkeit nachhaltig Energie- und Mobilitätskonzepte umzusetzen, z.B. über Photovoltaikanlagen auf Gebäuden oder E-Tankstellen für den Ausbau der Elektromobilität. 

Welche Anreize könnten Vereinen gegeben werden, um entsprechend in energieeffiziente Technik zu investieren und welche Rahmenbedingungen im Sportrahmenvertrag müssten hierfür verändert werden?

Im Hinblick auf Nachhaltigkeit,  Klima- und Umweltstandards im Sport müssen im ersten Schritt die Bedarfe festgestellt werden. Zunächst braucht es also eine Analyse der jetzigen Situation, zum Beispiel im Bezug auf Bedarfe an umweltfreundlichen Fills auf Sportplätzen oder Strombedarfen durch Photovoltaik-Anlagen oder andere Quellen erneuerbarer Energien. In einem zweiten Schritt kann dann geprüft werden, wie diese Bedarfe nachhaltig gedeckt werden können. Der Anspruch auf Gegenfinanzierung muss selbstverständlich in Richtlinien festgelegt werden, zum Beispiel in dem von uns geforderten Sportfördergesetz. Darüber hinaus fordert DIE LINKE eine Abkehr von motorisierten Individualverkehr. Mobilität muss nachhaltig, kommunal und für alle zugänglich organisiert werden. Der Ausbau des HVV und der Radinfrastruktur steht dafür auch an erster Stelle.

3. Sportrahmenvertragsflächen

Hamburg wächst, längst wird eine Einwohnerzahl von 2 Millionen prognostiziert. Im Sport werden die öffentlichen Sportplätze und die Schulsporthallen saniert. Aber können auch die Sportrahmenvertragsflächen - einer der drei Säulen der Sportförderung in Hamburg - zur Errichtung von vereinseigenen Anlagen mitwachsen? Sportrahmenvertragsflächen stehen in Flächenkonkurrenz zu Wohnungsbau und Gewerbe, sind aber für eine Vereinsentwicklung wichtig und bieten den Vorteil, dass die Sportflächen ganztägig nutzbar sind. 

Wie kann man sicherstellen, dass der Vereinssport sich auch zukünftig auf solchen Flächen entwickeln kann und so seine Wirkung für die Stadtteile behält? 

DIE LINKE fordert, u.a. Sport zu einer Globalrichtlinie zu erheben. Bei der Planung von Bauvorhaben müssen so nicht nur zum Beispiel Wohnraum und Gewerbeflächen berücksichtigt werden, sondern auch die weitere Infrastruktur: Für die Stadtentwicklung müssen Kriterien geschaffen werden, welche Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport und Gesundheit mit einbeziehen. Sporthallen und Sportplätze dürfen dem Wohnungsbau nicht zum Opfer fallen. In Gegenteil: Wo Wohnungen gebaut werden, braucht es sicheren Zugang zu Sportplätzen und -angeboten.

4. Schwimmbedarfe

Die Schwimmbedarfsanalyse hat großen Raum in der Diskussion um die Situation des Schwimmsports in Hamburg eingenommen. Seit 2019 liegen erste Ergebnisse aus dem „Runden Tisch Schwimmen“ vor. Im Ergebnis kann man festhalten, dass es weiterhin große Bedarfe beim Vereinsschwimmen sowie beim Rehasport im Wasser gibt. 

Es liegt auf der Hand, dass die Schwimmhalleninfrastruktur in Hamburg einen umfangreichen Ausbau erfordert. Dies gilt für alle Stadtteile, aber insbesondere auch für benachteiligte Quartiere. Die Anzahl an Schwimmhallen deckt nicht den Bedarf, und viele Schwimmhallen sind an ihrer Kapazitätsgrenze und sanierungsbedürftig. Daher fordert DIE LINKE, dass die richtigen Schlüsse aus der Schwimmbedarfsanalyse gezogen werden und der Ausbau der Schwimmhalleninfrastruktur in Hamburg eingeleitet und vorangetrieben wird. Dieser bedarfsgerechte Ausbau muss ebenfalls in den geforderten Sportfördervertrag aufgenommen werden.

5. Rehasport

Bei der Versorgung der Bevölkerung mit Rehasportangeboten ist Hamburg bei großer Nachfrage und trotz eines gesetzlichen Rechtsanspruchs  bundesweites Schlusslicht. Gründe hierfür sind die für Hamburg zu niedrigen bundesweit einheitlichen Vergütungssätze und nicht genügend rehasporttaugliche Sportstätten. Beim Rehasport im Wasser ist die Situation in Hamburg dramatisch schlecht. 

Welche konkreten Schritte sollten unternommen werden, um die Situation zu verbessern?

Um die Situation zu verbessern, ist es zunächst notwendig, die Finanzierungslücke zu schließen. Rehasport sollte nicht durch private Sportinstitutionen, sondern durch den organisierten Sport angeboten werden können. In einem Sportfördervertrag, welcher angemessen für die Sport- und Rehasportbedarfe der Bürgerinnen und Bürger ist, würde die Finanzierung solcher Maßnahmen gewährleistet. Ebenso benötigt es einen barrierefreien Zugang zu den Angeboten sowie genügend Schwimmhallen, wie unter Punkt 4 dargestellt.

6. Kennzahlen und Erhebungen zur Sportraumbedarfsermittlung

Die Diskussion um Stadtentwicklung durch Sport hat die Frage „welche Kennzahlen und welche Beteiligungsformate werden in Hamburg genutzt, um Sportraumbedarfe zu ermitteln?“ in den Fokus gerückt. Derzeit wird auf Bezirksebene an solchen Kennzahlen und Erhebungsprozessen gearbeitet. 

Sollte zukünftig sichergestellt werden, dass hamburgweit bei den Sportraumbedarfsplanungen der Stadtteile mit einem allgemein akzeptierten Erhebungs- und Beteiligungsprozess gearbeitet wird? 

DIE LINKE fordert, Sport zu einer Globalrichtlinie zu erheben. Sportbedarfe müssen so bei der Planung neuer Bauvorhaben berücksichtigt werden. Ebenso müssen Kriterien geschaffen werden, wie auch die Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Kultur und Gesundheitsversorgung mit einbezogen wird. Bei der Planung neuer Quartiere muss sichergestellt werden, dass auch die nötige Infrastruktur geschaffen wird, um die neuen Bedarfe an Sport, Kultur, Gesundheitsversorgung und Bildung zu decken. Daher müssen alle relevanten Akteure von Beginn des Prozesses an beteiligt werden.

7. Mit dem Pilotvorhaben zur Öffnung der Hallen in den Ferien, am Wochenende und bis 24 Uhr sind in der letzten Legislatur Wege zur besseren Auslastung der Hallen bei gleichzeitiger Budgetierung der Kosten beschritten worden. 

Wie stehen Sie zu diesen Vorhaben und können Sie sich vorstellen, diese Pilotphase zukünftig zu einer regelhaften Nutzung auszubauen? 

DIE LINKE fordert von der Schulbehörde seit Jahren, dass Schulsporthallen auch außerhalb der Schulzeit regelhaft geöffnet werden. Das würde einem logischen und ressourcensparenden Umgang mit der bestehenden Sportinfrastruktur entsprechen. Allerdings ist dazu auch nötig, dass die zusätzlichen Kosten gedeckt werden. Dazu gehören z.B. die zusätzlichen Stunden für Hausmeister, welche finanziert werden müssen, sowie der eventuelle Ausbau der technischen Hallenausstattung. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, entsprechende Schranken und IT-Systeme zu installieren, um den Einlass elektronisch zu regeln.

8. Prävention sexualisierter Gewalt:

Seit der Münchner Erklärung im Jahr 2010 versucht der organisierte Sport Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Mit der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes (Vereinbarung zum Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen gemäß § 72 a SGB VIII) auf Länderebene im Jahr 2014 wurden diese Bemühungen nochmal konkretisiert. Trotz der Bemühungen des organisierten Sports sehen wir das Kindeswohl, wie in der Bundesratsinitiative des Landes  Baden Württemberg beschrieben, massiv gefährdet. "Wird der Eintrag aus dem erweiterten Führungszeugnis gelöscht, erfahren künftige Arbeitgeber nichts mehr von dem sexuellen Kindesmissbrauch. Das heißt: ehemalige Sexualstraftäter können wieder mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ehrenamtlich

DIE LINKE vertritt die Position, dass zur Prävention von sexueller und sexualisierter Gewalt andere Verfahrensweisen nötig sind, um Kinder ausreichend zu schützen. So gilt es u.a. Gefahrenzonen zu analysieren, gegenseitige Kontrolle unter Erzieherinnen und Erziehern – sowie die dazu erforderliche Personalbesetzung – einzuführen, Schulungen durchzuführen, etc. Eine Abschaffung der Tilgungsfristen würde dem Resozialisierungsgebot zuwiderlaufen. Ein Sonderrecht, welches für den Bereich der Sexualdelikte geschaffen würde, würde die Systematik der Tilgungsfristen durchbrechen. Zur Prävention von sexueller und sexualisierter Gewalt bedarf es anderer Mechanismen, die Kinder ausreichend vor den Gefahren von Übergriffen schützen.

9. Freiwilligendienste im Sport

Jedes Jahr machen mehr als 80.000 junge Menschen einen Freiwilligendienst in Deutschland, und zwar rund 53.000 im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), knapp 3.000 im FÖJ und circa 27.000 im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Im organisierten Sport leisten Deutschlandweit 2.100 ihren Freiwilligendienst. In Hamburg leisten rund 3800 Menschen einen Freiwilligendienst. Dabei bekommen Freiwillige für ihre Vollzeittätigkeit ein sogenanntes Taschengeld, welchen um die 300€ pro Monat beträgt. Von diesen 300€ im Monat müssen die Freiwilligen auch ihre tägliche Anreise zur Einsatzstelle (meistens mit dem HVV) bezahlen.

Befürwortet ihre Fraktion/ Partei auch die Teilhabe der Zielgruppe der Freiwilligendienstleistenden an dem 365€-Ticket?

DIE LINKE fordert einen kostenlosen ÖPNV für Freiwilligendienstleistende, aber auch für andere Ehrenamtliche. Ehrenamtliche bringen ihre wertvolle Zeit auf, um sich für das Wohlergehen anderer oder der Umwelt einzusetzen. Dass sie dafür noch die Kosten für einen überteuerten HVV zu und von ihrer Stätte des Engagements selbst tragen müssen, ist inakzeptabel. Daher muss der ÖPNV für Ehrenamtliche, Bedürftige und Kinder und Jugendliche kostenfrei sein. In einem ersten Schritt sollte außerdem das 365€-Ticket für alle anderen Hamburgerinnen und Hamburger eingeführt werden. Mittelfristig planen wir ein „BürgerInnen-Ticket“, mit welchem die unentgeltliche Nutzung der Verkehrsmittel des HVV möglich sein soll.

10. Ehrenamt und Sport

Der Sport in Vereinen und Verbänden ist ehrenamtlich getragen. Laut Sportentwicklungsbericht 2016 sind in den Sportvereinen Hamburgs rund 18.220 Ehrenamtliche engagiert. Auch bei der Ausrichtung von sportlichen Großereignissen in Hamburg sind ehrenamtlich Engagierte wichtig. Die Motivation ein Ehrenamt aufzunehmen sind laut Befragungen aber eher selten mit einem materiellen, beruflichen oder einem Statusgewinn verbunden. 

Wie kann das sportliche Ehrenamt in Hamburg aus ihrer Sicht gefördert werden?

Wie oben erläutert, dürfen zunächst durch das Ehrenamt keine Kosten bei den Engagierten selbst entstehen. Entsprechende Mittel müssen für Aufwandsentschädigungen, Fahrkarten usw. bereitgestellt werden, damit alle Menschen sich unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten ehrenamtlich einbringen können. Dies würde mittelfristig auch die Wertschätzung von ehrenamtlichem Engagement in der Gesellschaft erhöhen und wäre ein klares Signal seitens des Senats. Darüber hinaus sollten finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Ehrenamtliche die Teilnahme an Fortbildung zur Vernetzung und Weiterbildung zu ermöglichen.

11. Integration durch Sport

Der organisierte Sport in Hamburg hat sich in den letzten Jahren sehr stark für Geflüchtete engagiert. Mittlerweile sind viele Geflüchtete an einem festen Wohnorten angekommen und so besser für Sportvereine erreichbar.

Welchen Stellenwert hat das Thema Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten in der kommenden Legislaturperiode und welche Rolle sollte der der Sport hier nach ihrer Ansicht spielen?

Das Thema Integration durch Sport liegt uns besonders am Herzen. DIE LINKE hat die Behandlung des Themas Integration durch Sport im Sportausschuss initiiert und das Thema in der Vergangenheit mehrfach eingebracht. In der Bürgerschaft hat DIE LINKE auch Anträge eingereicht, mit dem Ziel, die finanzielle Ausstattung in diesem Bereich zu verbessern. In unseren Augen ist Sport ein zentraler Weg, den Kontakt und die Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Herkunft zu ermöglichen und zu gestalten. Während des Sommers der Migration 2015 haben sich die Sportverbände und Sportvereine hier vorbildlich verhalten und Menschen ungeachtet ihrer Herkunft den Zugang zu Sportangeboten ermöglicht. Auch in Zukunft werden wir uns dafür einsetzen, dass dieses Thema die politische Anerkennung und die finanzielle Ausstattung erhält, die es tatsächlich verdient.


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