Wahlprüfsteine Deutsche Apotheker Zeitung vom 20.02.2020

1. Auch in Hamburg ist die Apothekenzahl in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Wie beurteilen Sie die Versorgungslage in der  Stadt? Gibt es hinsichtlich der Apothekenzahl Bedenken? Und: Ist es aus Ihrer Sicht nötig, der sinkenden Apothekenzahl entgegenzuwirken?

Über die reale Versorgungslage gibt es keine ausreichenden Daten. Einen Abbau von Apotheken finden wir jedoch bedenklich. Für eine gute und wohnortnahe Versorgung ist es wichtig zu prüfen, wo Apotheken fehlen und hier gezielt Neugründungen zu fördern und bestehende Apotheken zu erhalten. Einen solchen Bedarfsplan gibt es bei Apotheken leider nicht und das ist eine große Leerstelle. Aufgrund des Zuwachses an älteren Menschen ist eine gut funktionierende Nahversorgung auch mit Apotheken und Ärzt_innen immer wichtiger. Wir werden uns dafür einsetzen.

2. Wie steht Ihre Partei zu den Regulierungen im Apothekenmarkt? Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass weiterhin ein Fremdbesitzverbot und ein eingeschränktes Mehrbesitzverbot gelten? Wenn nein, welche Regulierungen sollten aus Ihrer Sicht gelockert bzw. aufgehoben werden?

DIE LINKE steht konsequent gegen eine marktliberale Öffnung des Apothekenwesens. Wir befürworten das Fremd- und das eingeschränkte Mehrbesitzverbot und werden uns gegen jede Lockerung zur Wehr setzen. Wir wollen den heilberuflichen Charakter des Apotheker_innenberufs stärken und das ist mit großen Ketten, erst recht in der Hand von Kapitalgesellschaften mit kurzfristigen Renditeerwartungen, kaum möglich. Wir sind die einzige Partei, die immer gegen den RX-Versandhandel war und das auch im Bundestag beantragt hat.

3. Die Apotheker beschweren sich seit Jahren über unfaire Wettbewerbsbedingungen im Wettbewerb mit dem EU-Versandhandel. Die EU-Versandapotheken werden so gut wie gar nicht kontrolliert und dürfen nach einem Urteil Boni und Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben. Sollten Apotheken vor Ort aus Ihrer Sicht vor der Konkurrenz aus dem Netz geschützt werden? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt eine Zäsur in der deutschen Apothekenpolitik dar. DIE LINKE hat den RX-Versandhandel vor allem abgelehnt, weil wir eine patient_innenorientierte Versorgung und moderne pharmazeutische Betreuung damit für unmöglich halten. Seit dem EuGH-Urteil ist ein Verbot des RX-Versandhandels aber für uns zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden. Denn es steht letztlich nicht nur die Wettbewerbsverzerrung im Raum, sondern es steht die gesamte Preisbindung bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln auf dem Spiel. Ein Preiskampf würde alle Bemühungen um hochwertige Arzneimittelversorgung unabhängig von Wohnort und Geldbeutel der Patient_innen unterlaufen und muss unbedingt verhindert werden. Das sehen auch einige Vertreter_innen in anderen Parteien so, auch wenn es insgesamt bei Union, SPD, FDP und Grünen eine deutliche Stimmung für solche neoliberalen Gedankenspiele zu geben scheint. Wir werden auf jeden Fall weiter für die Apotheke vor Ort und patient_innenorientierte Versorgung kämpfen.

4. Um die durch die wegfallenden Apotheken entstehenden Versorgungslücken zu stopfen, gibt es auch Vorschläge zur alternativen Versorgung. Was halten Sie beispielsweise von Abgabeautomaten oder Apothekenbussen?

Die Versorgung mit Arzneimitteln erfordert ebenso wie die ärztliche oder therapeutische Behandlung eine Mensch-zu-Mensch-Kommunikation. Die fehlerhafte Anwendung von Arznei- und Hilfsmitteln verursacht eine große Menge gesundheitlicher Schäden, vermeidbare Krankenhausaufenthalte und enorme Folgekosten. Jede politische Maßnahme in diesem Bereich muss sich als erstes daran messen lassen, ob sie den informierten und vernünftigen Gebrauch von Arzneimitteln fördert oder eher behindert. Das ist einer der Gründe, warum wir die Rabattverträge mit all ihren Verunsicherungen durch Zwangsumtausch und Engpässen für den falschen Weg halten und abschaffen wollen.

Wenn die Versorgung anders gar nicht gewährleistet werden kann, kann und muss über alternative Distributionsformen nachgedacht werden. Der Bot_innendienst und Rezeptbriefkästen sind schon heute solche Maßnahmen, die gezielt eingesetzt werden. Apothekenbusse kommen hier durchaus infrage, Abgabeautomaten können wir uns auch dann eher nicht vorstellen. Das wichtigste ist jedoch, dass wir endlich Daten darüber haben, wo eigentlich die Versorgungssicherheit nicht mehr gegeben oder bedroht ist. Hier müssen gezielte Fördermaßnahmen stattfinden und dabei können moderne digitale Lösungen eine Hilfe darstellen. Erst, wenn diese nicht greifen, sollten wir über Notlösungen wie Apothekenbusse nachdenken. Schließlich ist die Apotheke vor Ort auch ein wichtiger Baustein einer funktionierenden Infrastruktur und des Zusammenlebens.

5. Was die Digitalisierung betrifft, arbeiten die Apotheker derzeit an der flächendeckenden Einführung des E-Rezeptes. Begrüßen Sie die Einführung des E-Rezeptes? Oder hat Ihre Partei diesbezüglich auch Bedenken? Wenn ja, welche? Und: Sollten Apotheker parallel zur Einführung des E-Rezeptes auch beginnen, Online-Beratungen (Telepharmazie) anzubieten?

Das eRezept kann die Versorgung sicherer, einfache und effizienter machen und DIE LINKE befürwortet es grundsätzlich. Wie alle neuen Technologien birgt es auch Risiken. Es gilt es auch hier, die Risiken gründlich zu analysieren und in der Umsetzung zu reduzieren sowie die unvermeidbaren Nachteile transparent gegen die Vorteile abzuwiegen.

Arzneimittelverschreibungen können viel über einen Menschen aussagen und unterliegen zurecht den höchsten Datenschutzvorgaben nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Datensicherheit muss ohne Abstriche den höchsten Sicherheitsanforderungen genügen. Ein weiteres großes Problem ist die Vermeidung von Korruption, denn mit digitalen Verordnungen kann viel leichter systematisch gegen das Zuweisungsverbot verstoßen werden. Da ausländische Arzneimittelversender_innen nach wie vor Rabatte geben dürfen, die inländischen Apotheken verboten sind, existiert ein starker Anreiz, mit diesen Apotheken Liefervereinbarungen abzuschließen. Das soll nach aktuellem Gesetzentwurf der Bundesregierung Ärzt_innen und Krankenkassen verboten werden. Aber andere, etwa Internetplattformen, sind hier nicht adressiert und das macht ein großes Tor auf, wodurch das eRezept zur Fördermaßnahme für ausländische Arzneimittelversender_innen zu werden droht. Das kann durch rechtliche und technologische Vorgaben verhindert werden und das wird unsere Bundestagsfraktion in Kürze als eigenen Antrag einbringen.

Der Telepharmazie stehen wir ähnlich zurückhaltend gegenüber, ebenso wie der Telemedizin. Der Normalfall muss bleiben, dass Arzt/Ärztin, Therapeut_in oder Apotheker_im der/dem Patienten/-in gegenübersteht und ihn/sie als ganzen Mensch sehen und behandeln kann. Anders ist auch eine auf den einzelnen Menschen zugeschnittene Kommunikation kaum möglich. Selbstverständlich gibt es Behandlungsfälle, wo es sinnvoll sein kann eine Expertin oder einen Experten hinzuzuschalten, wo aus der Ferne eine Kontrolluntersuchung gemacht wird oder qualifizierte Assistenzkräfte unterstützt werden. Wir wollen eine politische und gesellschaftliche Debatte darüber, wo solche Einsätze wirklich die Versorgung verbessern, wo sie von den Beteiligten auch angenommen werden und wo sie eher als Billigversorgung oder Aufgabe der Bemühungen um wohnortnahe Versorgung zu sehen sind. Wir halten die sinnvollen Einsätze heute für überschaubar und sie sollten klar gesetzlich definiert werden.


Zurück