Wahlprüfsteine Deutscher Hanfverband (DHV) vom 31.01.2020

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Die repressive Drogenpolitik ist gescheitert. Durch sie sinkt weder wirksam die Nachfrage, noch das Angebot. Durch die Kriminalisierung kommt es zu gravierenden Folgen wie die Unterlaufung wirksamer Präventionsarbeit durch die Verschwendung von mehr als 80% der finanziellen Ressourcen in Strafverfolgung und –vollzug, eines selbstbestimmten Umgangs mit Drogen, die organisierte Kriminalität wird damit gestärkt, es gibt einen fehlenden Jugend- und Verbraucher_innenschutz und Kriminalisierung hat oft katastrophale soziale Abstiegsfolgen der Konsumierenden. Es muss vielmehr eine legale und öffentlich kontrollierte Bezugsmöglichkeit geschaffen werden damit die freiwerdenden Ressourcen in bessere Präventions- und Hilfsangebote investiert werden können.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

DIE LINKE steht für eine Legalisierung von Cannabis im Zuge einer staatlich kontrollierten Abgabe an Erwachsene. Der Jugendschutz muss dabei eingehalten werden. Strafverfolgung führt nicht zu einer Reduktion des Konsums und verschwendet 80% der finanziellen Ressourcen anstelle sie in die Suchtprävention zu stecken. Strafverfolgung ist keine Suchtprävention.

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der "Geringen Menge" nach §31a BtmG in Hamburg und planen Sie Änderungen?

Unsere Bundesfraktion von DIE LINKE hatte zwei Anträge dazu in den Bundestag eingebracht. 2018 (Drs. 19/832) „Gesundheitsschutz statt Strafverfolgung – Für einen progressiven Umgang mit Cannabiskonsum“ (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/008/1900832.pdf). Dieser fordert

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach § 31a BtMG regelt, dass von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abgesehen werden muss, wenn sich die Tat auf bis zu 15 Gramm getrocknete Teile der Cannabispflanze oder äquivalente Mengen anderer Cannabiserzeugnisse (z. B. Marihuana, Haschisch) oder bis zu drei Cannabispflanzen, die ausschließlich dem Eigenkonsum dienen, bezieht;

2. darauf hinzuwirken, dass die durch die Entkriminalisierung des Cannabisbesitzes freiwerdenden finanziellen Mittel bei Polizei- und Justizbehörden in die Bereiche Prävention, Beratung und Behandlung sowie Schadensreduzierung umgeleitet werden;

3. Möglichkeiten zu prüfen, wie legale Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden können (bspw. über eine staatlich kontrollierte Abgabe durch Cannabisclubs), um die Entstehung von Schwarzmärkten und die damit verbundene organisierte Kriminalität und das Risiko gesundheitlicher Schäden durch mangelhafte Qualität einzudämmen. 

2019 (Drs. 19/14828) „Bundeseinheitliche geringe Drogenmengen festlegen und Harm Reduction erleichtern“ (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/148/1914828.pdf). Dieser fordert:

1. In § 31a BtMG geregelt wird, dass von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abgesehen werden muss, wenn der/die Konsumenten*in die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt und folgende Bruttomengen nicht überschritten werden: drei Gramm bei He-roin, Kokain, Speed, MDMA in Pulverform, Methamphetamin und Crack, zehn Pillen Ecstasy (MDMA) und 15 Gramm getrocknete psychotrope Pilze. LSD soll zum Eigenbedarf ohne konkrete Grenzwertfestlegung entkriminalisiert werden.

2. In § 31a BtMG geregelt wird, dass Personen, die im Auftrag von Drogenkonsument*innen Betäubungsmittel einer Laboranalyse (drugchecking) unterziehen, ausdrücklich von der Strafbarkeit ausgenommen sind.

3. geregelt wird, a) dass von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abgesehen werden muss, wenn der/die Konsumenten*in bis zu 15 Gramm Cannabis (z.B. Marihuana oder Haschisch) bzw. bis zu drei Cannabispflanzen lediglich zum Eigenverbrauch anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt,

b) dass künftig Hanfsamen aus der Anlage I BtMG ausgenommen werden, sofern diese zum erlaubten Anbau oder zum Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf bestimmt sind, und

c) dass der kollektive Anbau in nichtkommerziellen Vereinigungen zum Eigenbedarf geregelt, d.h. straffrei gestellt wird,

4. Das Absehen von der Strafverfolgung (§ 31a BtMG) wird dahingehend konkretisiert, dass die geringe Drogenmenge zum Eigenbedarf nicht beschlagnahmt wird und bei der Feststellung des Bruttogewichts ggf. eine Toleranz von 10% auf die geringen Menge aufzuschlagen ist.

5. § 10a Abs. 4 BtMG wird ersatzlos gestrichen und damit die Substanzanalyse (drug-checking) in Drogenkonsumräumen ermöglicht.

6. Die zum Betrieb eines Drogenkonsumraums nach § 10a Abs. 1 S. 1 BtMG ausnahmsweise zu erteilende Erlaubnis wird in eine regelmäßig zur erteilende Genehmigung umgewandelt und die übrigen Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 S. 2, sowie des § 10a Abs. 2 und Abs. 3 werden gestrichen. Zudem sollen die Bundesländer zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen in Haftanstalten ermutigt werden.

4. Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

DIE LINKE will den Anbau von Cannabis zum eigenen Gebrauch legalisieren. Statt Profitorientierung und Gesundheitsgefährdung setzen wir dabei auf nicht gewinnorientierte und genossenschaftlich organisierten Anbau in Social Clubs, mit Selbstverwaltung, Einhaltung des Jugendschutzes und sozialer Kontrolle.

5. Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Veräußerung von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Veräußerung von Cannabis an Erwachsene?

DIE LINKE ist für eine staatliche kontrollierte Abgabe unter Einhaltung des Jugendschutzes. Als ersten Schritt befürworten wir die Einführung von wissenschaftlich begleiteten Modellprojekten zur kontrollierten Cannabis-Abgabe.

6. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis?

Drug-Checking muss legalisiert werden. Sowohl in Drogenkonsumräumen als auch anderswo. So können die Konsument_innen vor Gesundheitsschäden durch Streckmittel und andere Verunreinigungen geschützt werden.

7. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht entzogen werden. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung mit Alkoholkonsum bei der Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ein?

Die Fahreignung sollte aufgrund von Studien und Messungen, die eine Fahrtüchtigkeit unter dem Einfluss von Cannabis in Frage stellen, erfasst und festgelegt werden. Es müssen bessere Testverfahren entwickelt werden, die nachweisen können inwiefern bei den Konsument_innen bzw. Fahrer_innen die Fahrtüchtigkeit tatsächlich durch den Konsum eingeschränkt ist. Eine pauschale Fahrtüchtigkeit noch bis zu 0,5 Promille Alkoholgehalt zu ermöglichen sollte wissenschaftlich überprüft werden vor dem Hinblick des Unfallrisikos. Eine Ungleichbehandlung und dann auch noch aufgrund einer pauschalen unwissenschaftlichen Dämonisierung von Cannabiskonsum lehnen wir ab.

8. Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird nahezu regelmäßig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet Dies widerspricht u.E. der Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2002, in dem u.a. festgestellt wird, dass der Besitz, der einmalige oder gelegentliche Konsum von Cannabis ohne Einfluss auf das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr keine fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen nach sich führen sollte. Wollen Sie in Hamburg an dieser Praxis festhalten oder diese ändern?

Der in 8. Beschriebene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2002 sollte in Hamburg umgesetzt werden.

9. Viele drogenpolitische Maßnahmen betreffen eher Bundesrecht. Haben Sie vor, Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit zu vertreten?

JA

10. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Landespartei und Landtagsfraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Parlamentarische Initiativen DIE LINKE Bürgerschaftsfraktion Hamburg 21. Wahlperiode:

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/63828/was_sind_dem_senat_die_suchtpraevention_und_die_suchthilfe_wert.pdf

  • SKA 21/14264 Präventionsmaßnahmen zu Drogensucht, Drogenkonsum, illegalem Drogenverkauf und Drogentod in Hamburg

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/63672/praeventionsmassnahmen_zu_drogensucht_drogenkonsum_illegalem_drogenverkauf_und_drogentod_in_hamburg.pdf

•             Große Anfrage 21/10455 Finanzierung der Drogen- und Suchthilfe in Hamburg

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/59329/finanzierung_der_drogen_und_suchthilfe_in_hamburg.pdf

  • SKA 21/6060 Ausgaben der Suchthilfe und Suchtprävention im Hamburger Haushalt – vor Allem Einzelplan 5

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/54557/ausgaben_fuer_suchthilfe_und_suchtpraevention_im_hamburger_haushalt_vor_allem_einzelplan_5.pdf

  • Antrag 21/6964 Gute Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen und verstetigen

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/55532/haushaltsplan_entwurf_2017_2018_vor_allem_einzelplan_5_gute_gesundheitsversorgung_und_pflege_fuer_alle_sicherstellen_und_verstetigen.pdf

  • SKA 21/3015 Suchtberatungsstellen und Einrichtungen der Gesundheitsförderung

www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/51357/suchtberatungsstellen_und_einrichtungen_der_gesundheitsfoerderung.pdf

Darüber hinaus haben wir uns im Rahmen einer Expert_innenanhörung im Gesundheitsausschuss für ein Modell der wissenschaftlich kontrollierten Abgabe von Cannabis für Hamburg ausgesprochen.

Auf Bundesebene gab es folgende parlamentarischen Initiativen von DIE LINKE Bundestagsfraktion in der 19. Wahlperiode:

  • Antrag 19/14828 Bundeseinheitliche geringe Drogenmengen festlegen und harm reduction erleichtern
  • Antrag 19/2539 Ein umfassendes Tabakwerbeverbot schaffen
  • Antrag 19/832 Gesundheitsschutz statt Strafverfolgung – Für einen progressiven Umgang mit Cannabiskonsum
  • Antrag 19/6196 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts der Krankenkassen bei der Verordnung von Cannabis

11. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

DIE LINKE setzt sich für eine gesicherte und bedarfsgerechte Finanzierung der Drogenhilfe- und Suchtberatungsstellen sowie Drogenkonsumräume ein. Drogenpolitik über Verbote funktioniert nicht und unterbindet  eine umfängliche Aufklärung  über die Gesundheitsgefahren des Drogenkonsums, auch gerade für Jugendliche. Wissenschaftlich kontrollierte Modellprojekte zur Erprobung der kontrollierten Abgabe auf Landesebene wären hilfreich um drogenpolitisch weiter zu kommen.

12. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt derzeit rasant. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

Cannabis sollte staatlich kontrolliert angebaut, verkauft und konsumiert werden. Der Cannabis Social Club könnte hier modellhaft stehen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis. Hierbei geht es um eine genossenschaftliche, nicht gewinnorientierte Form, um eine gute Qualität und einen bestmöglichen Gesundheitsschutz zu gewährleisten.

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