Wahlprüfsteine Roma und Cinti Union e.V. vom 22.01.2020

1. Wie gedenken Sie, den noch immer vorherrschenden Antiziganismus zu bekämpfen?

Der Antiziganismus ist eine der am weitesten verbreiteten und gesellschaftlich am tiefsten verankerten Formen rassistischer Vorurteile in Deutschland. Betroffen sind Sinti und Roma, die teils seit Jahrhunderten in Deutschland leben, teils im Laufe letzten Jahrzehnte aus Ex-Jugoslawien geflüchtet oder aus osteuropäischen Ländern zugewandert sind.

Antiziganismus ist in der Bevölkerung und in gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen weit verbreitet. Er ist Ursache von alltäglichen Beleidigungen und Bedrohungen, von Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, von Benachteiligung im Bildungswesen, und wie Studien belegen, sind antiziganistische Stereotype auch in der Polizeiarbeit nach wie vor verbreitet, oder auch in anderen Behörden wie z.B. Ausländerbehörden. Vielfach tragen Medien durch reißerische, latent bis offene rassistische und herabwürdigende Berichterstattung zu den antiziganistischen Ressentiments bei.

So vielfältig sich Antiziganismus äußert, so vielfältig müssen die Gegenstrategien sein. Grundelemente sind Aufklärung und ein offensives Entgegentreten, die ausreichende Ausstattung von Beratungsstellen und die Unterstützung von Selbstorganisation. In Bezug auf die Polizei kann die von uns geforderte unabhängige Polizeibeschwerdestelle dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Polizei und Minderheiten zu verbessern.

DIE LINKE hat 2017 eine sehr umfangreiche Große Anfrage zur Aufarbeitung der Diskriminierung von Sinti und Roma in Hamburg nach 1945 gemacht und 2018 zwei Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt. Die Fortsetzung dieser Aktivitäten ist für die kommenden Jahre beabsichtigt.

2. Wie würden Sie die Aufklärung über die Geschichte und den NS-Holocaust an den Roma und Sinti in den Schulplänen voranbringen wollen?

Wie der Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden muss auch der Völkermord an den Sinti und Roma ausdrücklich in die Bildungspläne aufgenommen werden. Die lebensweltliche Orientierung des Unterrichts soll dabei an den Erfahrungen (oder auch nicht gemachten Erfahrungen) der Schülerinnen und Schüler ansetzen. Lernorte gibt es einige, beispielsweise an der Gedenkstätte Hannoverscher Bahnhof oder auch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, sodass ein didaktisch facettenreicher Unterricht möglich ist. Die Verankerung in den Bildungsplänen wird DIE LINKE in der nächsten Legislaturperiode aufgreifen.

3. Welchen Druck können Sie als Spitzenkandidat auszuüben, um die Fluchtursachen und die Verfolgung der Roma in deren Herkunftsländern zu thematisieren? 

Wir sehen das Problem darin, dass eigentlich alle um die Fluchtursachen und die Verfolgung der Roma in vielen Ländern wissen, dass Regierung und Bundestagsmehrheit aber entschieden haben, diese Gründe nicht anzuerkennen. DIE LINKE wird dieses große Problem in der Bürgerschaft wie bisher immer wieder thematisieren. Wir werden auch weiterhin mit Organisationen der Roma und solidarischen Gruppen zusammenarbeiten, um aufzuklären und Abschiebungen zu verhindern.

4. Wie beabsichtigt ihre Partei, dass die in Deutschland lebenden Sinti und Roma ebenso denen in Deutschland lebenden Juden, auf Grundlage der gemeinsamen NS-Verfolgungsgeschichte, gleichgestellt werden?

Wir unterstützen diese Forderung und haben vor einigen Jahren auch einen entsprechenden Antrag gestellt, ohne Erfolg. Eine Durchsetzung ist auch gegenwärtig kaum zu erreichen, dennoch werden wir diese Forderung nicht aufgeben.

5. Wie könnten Sie zur Verbesserung der Lebenssituation der Sinti und Roma In Hamburg  beitragen?

Wir haben in unserem Wahlprogramm den Schwerpunkt darauf gelegt, die soziale Spaltung zu überwinden. Roma und Sinti, die weitestgehend zu den Ärmsten in dieser reichen Stadt gehören, würden durch Umsetzung dieser Forderungen ihre Lebenssituation verbessern können. Zu den Forderungen gehören z.B. die Bekämpfung von Obdachlosigkeit, das Verbot von Stromsperren, öffentlich geförderte Beschäftigung und ein Programm zur Beschäftigung von zusätzlich mindestens 1000 Langzeitarbeitslosen, eine bedarfsgerechte und sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV, Kindergrundsicherung in Höhe von mindestens 564 Euro und viele Maßnahmen zur Schaffung von preiswerten Wohnungen.

6. Anders als viele Bundesländer, hat Hamburg bis heute keinen Staatsvertrag mit den Hamburger  Roma und Sinti geschlossen. Wann gedenkt Hamburg das klare Bekenntnis zur Anerkennung der hamburgischen  Sinti und Roma zu machen und legt eine verbindliche Förderung der Minderheit fest? Unterstützen Sie das Hamburg ebenfalls einen Staatsvertrag mit den Hamburger Roma und Sinti schließt?

DIE LINKE setzt sich in Hamburg für einen Staatsvertrag oder eine Rahmenvereinbarung zwischen Hamburg und den Selbstorganisationen der Sinti und Roma ein, wie andere Bundesländer sie bereits abgeschlossen. Ein solcher Vertrag soll nach unseren Vorstellungen mindestens beinhalten: die institutionelle Förderung von Geschäfts- und Beratungsstellen, eine zusätzliche Projektförderung mit den Schwerpunkten Erhalt von Sprache und Kultur, Bildung und Soziales, selbstorganisierte Zusatzangebote in Kitas und Schulen, Eingang der (Verfolgungs-)Geschichte in Lehrpläne von Schulen und Hochschulen, Sicherung der Grabstätten von NS-Verfolgten, verbesserter Zugang zu Medien (z.B. Sitz im Rundfunkrat).

Leider ist die Bereitschaft des Senats, einen solchen Vertrag abzuschließen, sehr gering. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode weiter parlamentarisch dafür eintreten und außerparlamentarische Initiativen unterstützen.

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