Wahlprüfsteine Hamburg Netzwerk SGB II Menschen - Würde - Rechte und AG Soziales der SOPO vom 7.01.2020

1. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass das Ermessen über die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit von Sanktionen künftig so genutzt wird, dass in Hamburg die Jobcenter keine Sanktionen verhängen?

Ja. DIE LINKE. Hamburg ist der Auffassung, dass Sozialbehörde, Arbeitsagentur und Jobcenter sich nicht lediglich auf die Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zurückziehen sollten, sondern offensiv alle Spielräume nutzen sollten, die die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gibt. Dazu gehört es u. a. auch, ungeeignete Maßnahmen und Anforderungen in Eingliederungsvereinbarungen zu unterlassen und nicht jeden noch so schlecht bezahlten Job als zumutbar einzustufen. Ebenfalls berücksichtigt werden müssen Gründe für Meldeversäumnisse.

2. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass auch im AsylbLG keine Sanktionen mehr verhängt werden?

Ja. Ebenso wie nunmehr die Grundsätze des BVerfG auf U25-Jährige angewendet werden, müssen sie auch in anderen Rechtskreisen, wie etwa dem SGB XII oder dem AsylbLG, zur Geltung kommen. Beim AsylbLG kommt hinzu, dass es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gibt, die an Sanktionen gegenüber Asylbewerber*innen noch höhere Anforderungen stellt als das BVerfG. Der EuGH kommt nämlich zu dem Schluss, dass die Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebensstandards unantastbar sind. Leider gilt die Entscheidung nicht für Geduldete, da sie nicht in den Anwendungsbereich der EU-Aufnahmerichtlinie fallen. Allerdings ist für eine geduldete Person vor dem BVerfG ebenfalls ein Verfahren wegen Sanktionen nach § 1a AsylbLG anhängig. Losgelöst von den juristischen Auseinandersetzungen, die voraussichtlich zu Gesetzesänderungen zwingen werden, sollten die Sanktionen im AsylbLG bereits jetzt abgeschafft werden. Gleiches gilt für das SGB II und XII. Hamburg sollte sich hier in Form einer Bundesratsinitiative dafür stark machen.

3. Haben Sie vor, die Erstausstattung für Wohnung und Bekleidung für Leistungsberechtigte nach SGB II, XII zu erhöhen? Der aktuelle Betrag ist nicht bedarfsdeckend und in Hamburg im Unterschied zu anderen Städten seit dem Jahr 2000 nicht erhöht worden.

Ja. DIE LINKE. Hamburg fordert, dass diese Leistungen auf ein zeitgemäßes Niveau angehoben werden. Eine Erstausstattung für eine Wohnung müsste bei einer Einzelperson aktuell mindestens etwa bei 2.000€ (ohne Weißware) liegen.

4. Haben Sie vor, die Regelung zur Kostensenkungsaufforderung bei den Kosten der Unterkunft im SGB II und XII so zu ändern, dass ein Moratorium eingeführt wird und keinerlei Kostensenkungsaufforderungen mehr ergehen?

Ja. Angesichts der Wohnungsnot in Hamburg ist es so gut wie nicht denkbar, dass eine Umzugsaufforderung gerechtfertigt ist. DIE LINKE. Hamburg hält es daher für notwendig, zumindest so lange von Umzugsaufforderungen abzusehen, bis ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum vorhanden ist. Wichtig ist auch, dass niemand aus der bisherigen Umgebung verdrängt wird. Es dürfen aber auch nicht die vergessen werden, die derzeit aus ihrem Regelsatz einen Teil der Kosten der Unterkunft selbst übernehmen. Hier muss es eine Überprüfung geben, die in aller Regel zur vollständigen Kostenübernahme führen muss.

5. Haben Sie vor, die Richtlinien zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im SGB II und SGB XII so zu ändern, dass 1. eine tatsächliche Erhöhung stattfindet, 2. die Angebotsmieten die Basis für die Richtwerte sind und 3. die Ergebnisse des Mietenspiegels sofort berücksichtigt werden?

DIE LINKE. Hamburg fordert, von den starren Mietobergrenzen abzurücken und stattdessen Richtwerte einzuführen. Das eröffnet Ermessensspielräume bei der Übernahme der Kosten der Unterkunft. Die Richtwerte sind fortlaufend und umgehend an die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Hamburger Wohnungsmarkt anzupassen. Da die derzeitigen Mietobergrenzen zu niedrig sind, fordern wir eine umgehende Erhöhung. Die Richtwerte müssen sich deutlich stärker an den Neuvermietungspreisen orientieren und es ist darauf zu achten, dass nicht zu geringwertige Wohnungen das Preisniveau bestimmen.

6. Es kommt regelhaft vor, dass bei strittigen Kündigungsverfahren (oder bei Trennung oder Tod von Partner*innen) die Kosten der Unterkunft nicht mehr durch das Jobcenter bewilligt werden. Das hat zur Folge, dass das Kündigungsverfahren für die Mieter*innen negativ ausgeht. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass von den Jobcentern künftig keine fahrlässige Gefährdung der Unterkunft mehr ausgeht?

Für DIE LINKE. Hamburg gilt der Grundsatz, dass die Wohnung nicht gefährdet werden darf. Sie setzt sich dafür ein, dass ein solcher Grundsatz auch für die gesamte Verwaltung gilt.

7. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass künftig vom Jobcenter Zustimmung zur Wohnungsanmietung innerhalb von 24 Stunden erfolgen müssen?

Ja. Angesichts der Vielzahl von Wohnungsbewerber*innen ist Geschwindigkeit eine wesentliche Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrages. Da muss so schnell wie möglich für alle Beteiligten die Sicherheit hergestellt werden, dass die Kostenübernahme gewährleistet ist. Noch besser wäre es, für Wohnungssuchende ein verbindliches Merkblatt o. ä. zu entwickeln, so dass sie ohne Vorabgenehmigung einen Mietvertrag abschließen können. Ein gewisses Restrisiko einer Auseinandersetzung mit dem Jobcenter bleibt allerdings bei diesem Verfahren. Als hilfreich hat sich in Dringlichkeitsfällen die Arbeit der Fachstellen für Wohnungsnotfälle erwiesen. Diese sollten noch deutlich mehr ausgebaut werden.

8. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass künftig auf die Aufrechnung von Mietkautionen oder Genossenschaftsanteilen im laufenden Bezug von Leistungen nach SGB II und SGB XII verzichtet wird? Durch die Aufrechnung wird monatlich das Existenzminimum um 10% unterschritten – über Jahre hinweg.

Ja. Kautionen und Genossenschaftsanteile bleiben grundsätzlich in ihrem Wert erhalten und werden im Falle einer Kündigung zurückerstattet. Die Kürzung des Regelsatzes ist dagegen unzumutbar. Kurzfristig sind die Spielräume auf Landesebene dahingehend zu nutzen, dass so häufig wie möglich ein Zuschuss erbracht wird. Langfristig ist aber eine Gesetzesänderung auf Bundesebene nötig, für die sich Hamburg im Wege einer Bundesratsinitiative stark machen soll.

9. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass Anträge auf Leistungen des SGB II und SGB XII und AsylbLG künftig innerhalb von maximal 14 Tagen bewilligt werden und Geld gezahlt wird?

Ja. DIE LINKE. Hamburg hält es für unabdingbar, dass für die Betroffenen die Sicherheit herrscht, wann ihr Lebensunterhalt gewährleistet ist. In Eil- und Notfällen, etwa bei drohendem Verlust der Wohnung oder Energieabschaltung, muss es sofort Überbrückungsleistungen geben. Allerdings ist beim regulären Antragsverfahren zu beachten, dass häufig die Auseinandersetzung über die Vorlage von Unterlagen zu Verzögerungen führt. Von Seiten des Jobcenters muss gewährleistet sein, dass Empfangsbestätigungen ausgestellt werden. Von Seiten der Betroffenen müssen die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Hier sind klare Verfahrensstandards erforderlich, um ein gewisses Maß an Rechtssicherheit zu schaffen. Perspektivisch ist über Vereinfachungen nachzudenken.

10. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass das Jobcenter künftig keine Hausbesuche mehr durchführt?

Ja. Hausbesuche sind ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Sie sind Ausdruck eines generellen Betrugsverdachts gegen Betroffenen. Aus welchen Gründen eine Entscheidung über einen Hausbesuch getroffen wird, ist kaum nachvollziehbar und daher ziemlich willkürlich. Hinzu kommt, dass die Gefahr von Diskriminierungen groß ist.

11. Haben Sie vor, Regelungen einzuführen, dass alle Menschen, deren Einkommen auf Grundsicherungsniveau liegt, den HVV gratis nutzen können oder das 2003 abgeschaffte Sozialticket für den HVV zum Preis von 15,50€ wieder einzuführen?

DIE LINKE. Hamburg fordert eine kostenlose Nutzung des HVV für Menschen mit Einkommen auf Grundsicherungsniveau. Grundsicherungsbeziehende sollen darüber hinaus einen Sozialausweis erhalten, mit dem sie neben dem kostenfreien HVV staatliche Museen, Schwimmbäder und andere Freizeiteinrichtungen zum Preis von 1 Euro besuchen können, um eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

12. Haben Sie vor, in Hamburg eine unabhängige Ombudsstelle für das SGB II mit hauptamtlichen Beschäftigten zu finanzieren?

Ja. Die Erfahrungen zeigen, dass die aktuellen Beschwerdemöglichkeiten nicht ausreichen. Dienstaufsichtsbeschwerde und Kundenreaktionsmanagement sind in der Behördenhierarchie schlecht aufgehoben. Eine Ombudsstelle kann zwar keine Rechtsmittel ersetzen, jedoch in einem Teil der Fälle zu einer Klärung oder Verbesserung der Situation beitragen, so dass ein Rechtsmittel überflüssig werden kann. Aus den Erfahrungen einer Ombudsstelle können Verbesserungen im Jobcenter eingeleitet werden. Für das Widerspruchsverfahren sollte es außerdem Widerspruchsausschüsse, wie sie aus der Sozialversicherung bekannt sind, geben, damit den Belangen der Betroffenen mehr Gewicht eingeräumt wird.

13. Haben Sie vor, dafür zu sorgen, dass Hartz IV überwunden wird, wie es die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf dem SPD-Parteitag in Berlin laut FAZ vom 7.12.2019 gesagt hat: „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen“?

DIE LINKE ist die Partei, die sich aus dem Widerstand gegen Hartz IV gegründet hat. Sie ist damit die Partei, die für die Abkehr von Hartz IV steht. Wir fordern eine sanktionsfreie Mindestsicherung als Alternative. Die Sanktionsfreiheit ist ein wesentliches Element der Abkehr von Hartz IV, weil sie den Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben zurückgibt. Es entfällt der permanente Druck durch die Sanktionsdrohung. Unzumutbare Jobs, unsinnige Bewerbungen und ungeeignete Maßnahmen können abgelehnt werden. Das von der SPD vorgeschlagene Bürgergeld beinhaltet dagegen lediglich eine Abschwächung, nicht jedoch eine Abschaffung von Sanktionen. Es stellt somit keine echte Abkehr von Hartz IV dar.

Zurück