Wahlprüfsteine Denkmalverein Hamburg e.V. vom 7.11.2019

Aktuell ist das Hamburger Denkmalschutzamt nicht im eigentlichen Sinne ein Amt, sondern nur eine Abteilung im Amt Kultur der Behörde für Kultur und Medien. Fachliche Voten des Denkmalschutzamtes werden daher politisch beeinflusst, zu Lasten der Baudenkmäler der Stadt. Die Wiederherstellung als eigenes Amt würde diese Situation kaum verbessern. Deshalb muss die Leitung des Denkmalschutzamtes eine besonders herausragende Stellung bekommen, wie es bspw. beim Oberbaudirektor der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Fall ist, um mit der eigenen Behördenleitung, aber vor allem auch mit anderen Behörden kritische Fälle auf Augenhöhe erörtern zu können.

Frage: Werden Sie für mehr Eigenständigkeit des Denkmalschutzes in Behördenhierarchie und gegenüber der Öffentlichkeit eintreten, indem Sie die Leitung des Denkmalschutzamtes mit denselben oder ähnlichen Befugnissen ausstatten wie den Oberbaudirektor?

Antwort DIE LINKE. Hamburg:Unbedingt, zumal DIE LINKE diese Idee bereits vor längerer Zeit aufgebracht hat. Wir arbeiten daran, in der Bürgerschaft für dieses Ansinnen eine Mehrheit zu bekommen.

Auf der Homepage des Senats wie auch in vielen Reden betonen die Verantwortlichen immer, wie wichtig der Denkmalschutz für die Stadt Hamburg ist. Doch es gibt nicht nur Lob und Anerkennung für den Denkmalschutz, oft wird er als Hindernis angesehen und von vielen Seiten kritisiert. Leider trägt auch der Senat zur Schwächung des Denkmalschutzes bei, z.B. mit seiner Zustimmung zum Abriss des denkmalgeschützten städtischen City-Hof. Denn: Weshalb sollten privaten Denkmaleigentümer_innen ihr Denkmal schützen, wenn noch nicht mal die Stadt ihrer Vorbildfunktion nachkommt?

Wer den Denkmalschutz in Hamburg stärken will, muss auch auf der Verwaltungsseite eine starke Position schaffen, so wie sie der derzeitige Oberbaudirektor innehat. Deshalb braucht Hamburg eine_n Oberdenkmaldirektor_in, der/die nicht nur innerhalb der Kulturbehörde, sondern auch in der Senatskanzlei und bei dem Ersten/bei der Ersten Bürgermeister_in eine herausragende Stellung und besondere (Vortrags- und Entscheidungs-)Rechte hat.

Das wäre im Übrigen ein angemessenes Geschenk zum 100. Geburtstag des Denkmalschutzamtes im Jahr 2020!

Die Abteilung für die Erfassung von Denkmälern im Denkmalschutzamt, das Referat für Wissenschaftliche Inventarisation, ist personell nicht ausreichend ausgestattet. Revisionsbedürftige Denkmallisten und fehlende Denkmalwertbegründungen gefährden einen rechtssicheren Vollzug des Denkmalschutzgesetzes. Die Konsequenzen reichen von drohenden unrechtmäßigen Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse über mangelnde Planungssicherheit für Bauherren und Stadtplanung bis hin zu finanziellen und personellen Mehrbedarfen bei der FHH. Darüber hinaus drohen in den kommenden Jahren erhebliche Verluste an Denkmälern, besonders aus der Zeit der jungenBundesrepublik Deutschland und aus den 1970er und 1980er Jahren.

Frage: Werden Sie sich dafür engagieren, dass das Denkmalschutzamt ausreichend Kapazität zur Inventarisierung insbesondere der noch nichtausreichend erfassten jüngeren Denkmäler hat, und wenn ja, wie?

Antwort DIE LINKE. Hamburg:Ja. Ein Denkmalschutzamt muss unbequem und durchsetzungsstark sein können - das gehört zu seinen Aufgaben! Deshalb unterstützen wir – auch mit Blick auf den kommenden Haushalt – die personelle Aufstockung  des Referats für Wissenschaftliche Inventarisation im Denkmalschutzamt Hamburg.

Im Denkmalschutzgesetz §1 (2) heißt es "Die Freie und Hansestadt Hamburg soll auch als Eigentümerin (...) für den Wert des kulturellen Erbes in der Öffentlichkeit eintreten (...). Dazu gehört auch die Verbreitung des Denkmalgedankens und des Wissens über Denkmäler in der Öffentlichkeit." Das Denkmalschutzamt Hamburg ist jedoch personell nicht ausreichend ausgestattet, um das Denkmalwissen der FHH zu qualifizieren, für Laien verständlich aufzubereiten, zu digitalisieren und zu veröffentlichen. Andere Bundesländer sind hier bereits deutlich weiter (vgl. denkxweb.denkmalpflegehessen.de oder www.blfd.bayern.de/denkmalerfassung/denkmalliste/bayernviewer/)

Frage: Werden Sie sich für eine personelle Ausstattung des Denkmalschutzamtes zur Qualifizierung und Veröffentlichung von Denkmalwissen einsetzen, und wenn ja, wie?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Ja. Es wird Zeit, dass Hamburg Wege findet Denkmalwissen (z. B. Fotobestände, Dokumentationen, Archiv- und Planmaterial etc.) verständlich, präzise und aktuell aufzubereiten und digital zugänglich zu machen – für die Öffentlichkeit aber auch für die Denkmalforschung. Um eine Online-Datenbank mit der sinnvoll gearbeitet werden kann, zu erstellen, zu betreuen, und laufend aktuell zu halten, braucht es die notwendige finanzielle, personelle und technische Ausstattung. Dafür setzen wir uns ein.

Hamburg verfügt über eine Vielzahl an Klein-Denkmälern wie Brunnen und Statuen im öffentlichen Raum, deren Pflege und Erhaltung in der Verantwortung der FHH liegen. Viele davon befinden sich in einem beklagenswerten Zustand, und es droht ihr vollständiger Verlust. Um einen angemessenen Umgang mit diesen Objekten vorzubereiten und auch private Initiative zu ermöglichen, bräuchte es dringend eine systematische Erfassung, Übersicht und Priorisierung durch das fachlich zuständige Denkmalschutzamt.

Frage: Werden Sie sich um die notwendige Ausstattung des Denkmalschutzamtes zur Erfassung und Bewertung von Klein-Denkmälern im öffentlichen Raum bemühen? Was werden Sie für eine bessere Erhaltung der Klein-Denkmäler tun?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Wir teilen die Kritik, dass die Pflege und der Erhalt einer Vielzahl von Kleindenkmälern lange vernachlässigt wurde. Die notwendige Ausstattung des Denkmalschutzamtes unterstützen wir daher ebenso, wie zusätzliche Mittel im Haushalt, um eine angemessene Pflege öffentlicher Denkmäler zu gewährleisten. Entsprechend setzen wir uns auch ein für eine Erhöhung der Ansätze der sogenannten 'Rahmenzuweisung Grün', aus der auch die Instandsetzung und Unterhaltung von Denkmälern in öffentlichen Grünanlagen finanziert wird.

Städtebauliche Erhaltungsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB haben das Ziel, besonders schützenswerte Gebiete in ihrer städtebaulichen Erscheinung und damit das Stadtbild zu erhalten. Gerade in einer wachsenden und sich an vielen Stellen stark verändernden Stadt ist dieses Instrument unverzichtbar, weil den Stadtteilen sonst ein Verlust an Identität und baukultureller Vielfalt droht. Konkret bedroht sind z.B. das nördliche St. Pauli ebenso wie Altona-Altstadt durch sehr hohen Entwicklungsdruck bei gleichzeitig verhältnismäßig wenigen Denkmal-Ausweisungen. Ebenfalls besonders bedroht sind zahlreiche Gründerzeitbauten entlang der Ausfallstraßen, die nicht unter Schutz stehen, aber wichtig für die Identität der Stadtteile sind (vgl. Hamburger Abendblatt vom 19.8.19).

Frage: Unterstützen Sie die Ausweitung der Städtebaulichen Erhaltungsverordnungen?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Ja, schließlich wurden die Regelungen im Baugesetzbuch geschaffen, damit der Schutz des Stadtbildes und besonderer Gebiete möglich ist. Die im "Bündnis für das Wohnen" getroffene Vereinbarung mit der Hamburger Wohnungswirtschaft, weitere Gebiete nur im Einvernehmen festzulegen, widerspricht dem Anspruch des Gesetzes. Der notwendige Erhalt schützenswerter Gebiete darf nicht vom Wohlwollen der Wohnungswirtschaft abhängig gemacht werden.

Wohnungs-Neubau bedeutet in Hamburg immer häufiger Abriss bestehender Bauten. Eine solche Stadtentwicklung schadet dem Klima, denn Abriss vernichtet die sogenannte „Graue Energie“ von Bestandsbauten, und Neubau verbraucht Ressourcen und große Mengen CO2. Nach Angaben des Umweltbundesamtes stammen 53 Prozent des Mülls und 40 Prozent des Energieverbrauchs und der Treibhausgase in Deutschland aus dem Baubereich. Acht Prozent des weltweiten CO2 Ausstoßes werden durch die Herstellung von Zement verursacht. Es liegt an uns allen, hier einen Paradigmenwechsel einzuläuten, indem wir den Baubestand konsequent erhalten und weiternutzen.

Frage: In welcher Form möchten Sie sich dafür einsetzen, dass in unserer wachsenden Stadt die Graue Energie des Gebäudebestandes ökologisch sinnvoll weitergenutzt wird?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass vor dem Abriss von Gebäuden eine Ökobilanz erstellt und eine Abriss- bzw. Neubaugenehmigung gegebenenfalls abgelehnt wird, wenn der Neubau mehr Energie verschlingt als ein Entwicklung im Bestand.

Derzeit gibt es in Hamburgs Universitäten keinen Lehrstuhl für Theorie und Praxis des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Das hat zur Folge, dass z.B. Studierende der Architektur ihre berufliche Laufbahn einschlagen, ohne sich tiefergehend mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben – mit entsprechenden Folgen für den späteren Umgang mit Baudenkmälern.

Frage: Scheint es Ihnen sinnvoll, das Thema „Denkmalschutz/Denkmalpflege“ in der Hochschullandschaft verankern, z.B. mit einer Professur für Denkmalschutz an der HafenCity Universität?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Durchaus. Dadurch, dass eine Hochschule unbeeinflusst von denkmalpflegerischen Konflikten agieren kann, werden Möglichkeiten eröffnet. So könnte eine Professur für Denkmalschutz und eine stärkere Präsenz des Themas im Lehrplan Zugänge eröffnen, sensibilisieren und die Vermittlung von Denkmalkultur praxisnah, und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft gestalten – ähnlich wie in der partizipativen Stadtentwicklung.

Das Bildarchiv der FHH umfasst etwa 1 Million analoge Fotos und ca. 700.000 Motive, die das Leben in der Stadt und die Entwicklung des Stadtbildes Hamburgs dokumentieren. Diese Aufnahmen der vergangenen 150 Jahre Stadtgeschichte besitzen ein immenses Vermittlungspotential. 2015 hat der Senat die Abteilung Fotografie des Denkmalschutzamtes jedoch ersatzlos aufgelöst und damit sowohl die notwendige Digitalisierung der historischen Bildbestände weitgehend als auch die Aufgaben der Stadtdokumentation sowie die Mitwirkung im Bereich Denkmalschutz durch einen festangestellten Fotografen vollständig eingestellt. Das Bildarchiv fristet seitdem nur noch ein Schattendasein im Staatsarchiv und steht der Öffentlichkeit nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Hamburg droht damit einen wichtigen Teil seiner visuellen Erinnerungen zu verlieren.

Frage: Werden Sie dafür Sorge tragen, dass das historische Bildarchiv der Stadt zeitnah vollständig digitalisiert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und vermittelt wird, und wenn ja, wie? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass wieder eine regelmäßige Stadtdokumentation durch eine/n Fotografe/in stattfindet?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Da wir die Auffassung teilen, dass das visuelle Gedächtnis der Stadt nicht verloren gehen darf, unterstützen wir das Anliegen das historische Bildarchiv zu erhalten, weitergehend zu erschließen und zu digitalisieren, um es für die Benutzung zugänglich zu machen. Diese Aufgabe muss vom Staatsarchiv, im Zuge seines gesetzlichen Auftrages zur Erforschung und Vermittlung der hamburgischen Geschichte wahrgenommen werden.

Im Gegensatz z.B. zum Umweltschutz besitzen zivilgesellschaftliche Verbände im Denkmalschutz bundesweit bis heute keine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung staatlicher Entscheidungen. In anderen Ländern, wie z.B. der Schweiz mit ihrem "Verbands-Beschwerderecht", ist das Verbandsklagerecht im Denkmalschutz ein wichtiger und bewährter Teil der gesellschaftlichen Abwägungsprozesse, der die Einhaltung des geltenden Denkmalschutzgesetzes sichert.

Frage: Wie bewerten Sie das Thema "Verbandsklagerecht im Denkmalschutz", und wollen Sie sich dafür engagieren?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Das Klagerecht dürfen nicht nur diejenigen haben, die Grund und Boden besitzen. Da es in diesem Kontext aus Sicht der LINKEn notwendig ist, den Denkmalschutz zu stärken, ist für uns das Verbandsklagerecht unumgänglich. Dann hätte der Senat z.B. beim Abriss des denkmalgeschützten City-Hofs nicht daraufsetzen können, dass er mangels betroffener und klagebefugter  Privateigentümer_innen keine Rechtsverfahren oder gar einen Stopp des Abrisses befürchten müsse.

Der Denkmalverein Hamburg e.V. leistet als wichtigste politisch unabhängige Stimme für Denkmalschutz eine unverzichtbare Vermittlungsarbeit. Um den Verein zu stärken, wäre eine strukturelle staatliche Finanzierung sinnvoll, so wie es z.B. auch im Naturschutz üblich ist. Im Denkmalschutzgesetz §1 (2) heißt es "Die Freie und Hansestadt Hamburg soll auch als Eigentümerin (...) für den Wert des kulturellen Erbes in der Öffentlichkeit eintreten und die Privatinitiative anregen. Dazu gehört auch die Verbreitung des Denkmalgedankens und des Wissens über Denkmäler in der Öffentlichkeit." (s.o.)

Frage: Unterstützen Sie eine Stärkung des Denkmalvereins durch eine strukturelle staatliche Finanzierung?

Antwort DIE LINKE. Hamburg: Ja. Der Denkmalverein Hamburg e.V. ist als kritische Stimme mit  weitreichender Expertise unverzichtbar für den Hamburger Denkmalschutz. Daher unterstützen wir eine finanzielle Absicherung, die weiterhin eine politische Unabhängigkeit des Denkmalvereins gewährleistet.

Der Denkmalrat (§ 4 HmbDSchG) ist ein unabhängiges Sachverständigengremium, das die Kulturbehörde und das Denkmalschutzamt in Fragen von Denkmalschutz und Denkmalpflege berät. Der Rat arbeitet rein ehrenamtlich und verfügt bislang über kein eigenes Budget, um z.B. bei strittigen Fragen Fachgutachten einzuholen. Im Konfliktfall besitzt der Rat dadurch nicht die Ressourcen seine Haltung fachlich tiefergehend zu überprüfen und darzulegen.

Frage: Unterstützen Sie eine Stärkung des Denkmalrates, z.B. durch ein eigenes Budget in Höhe von 20.000 EUR p.a.?

Antwort DIE LINKE. Hamburg:Ja. Fachgutachten und vor allem auch Visualisierungen geplanter Neubauten auf Denkmalgrundstücken  bzw. neben Denkmälern sind wichtig, um auch einer breiteren Öffentlichkeit Auswirkungen von Planungen veranschaulichen zu können. Eine Stärkung und Ausweitung der Kompetenzen des Denkmalrates als Expert*innengremium halten wir auch deshalb für sinnvoll, weil es seine Aufgabe ist unvoreingenommen Position für das Interesse des Denkmalschutzes zu beziehen.

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