Wahlprüfsteine Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest e.V. vom 3.02.2020

1. Wie steht Ihre Partei zu Mindestpersonalvorgaben und was planen Sie in Bezug auf die Entwicklung von Instrumenten zur Personalbemessung im SGB V und SGB XI Bereich für Hamburg? Wie stellen Sie sich die Überprüfung der Umsetzung vor und wie soll mit Verstößen in Hamburg umgegangen werden?

Die Linke setzt sich seit vielen Jahren für eine gesetzliche Personalbemessung im Krankenhaus ein, die den realen Pflegebedarf abbildet. Die neue eingeführten Pflegepersonaluntergrenzen bilden diesen Bedarf überhaupt nicht ab, stattdessen orientieren sie sich daran, dass die Personalausstattung nicht schlechter ist, als bei den schlechtesten 25% der Krankenhäuser. Also durchschnittlich Note 4- statt Note 5 oder 6. Hamburg sollte hier aktiv werden: zum einen sollten Vereinbarungen über eine bedarfsgerechte Personalbemessung in den Kliniken auch Teil der Allianz für Pflege werden. In der Hamburger Allianz für Pflege wird alles Mögliche behandelt von den Fortbildungsmöglichkeiten bis zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bloß die wichtigste Frage mit der die Behandlungsqualität steht und fällt wird ausgespart: Wie viele Menschen muss eine Pflegekraft im Krankenhaus gleichzeitig versorgen? Das muss sich ändern! Wie gut oder wie schlecht die Pflegepersonalausstattung in einem Krankenhaus ist, wie viele Patient*innen auf eine Pflegekraft in einer Schicht kommen, wie oft es wegen Personalmangel und Engpässen zu Bettensperrungen kommt – all das sind bisher weitgehend die Betriebsgeheimnisse der Kliniken. Hier brauchen wir weitergehende Transparenzregelungen. Patient*innen sollten sich umfassend informieren können, bevor sie sich und ihre Gesundheit einem Krankenhaus anvertrauen und auch Pflegekräfte sollten sich umfassend über die Personalbemessung in einem Krankenhaus informieren können bevor sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden und damit mittelbar ebenso ihre Gesundheit einem Krankenhaus anvertrauen. Nicht zuletzt sollte die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin der Uniklinik Eppendorf mit gutem Beispiel vorangehen und eine bedarfsgerechte Personalausstattung tarifvertraglich vereinbaren.

2. Welche Sofortmaßnahmen werden Sie ergreifen, um nach der Regierungsübernahme die Personalausstattung in allen Pflegebereichen (Krankenhaus, ambulante und stationäre Altenpflege) besonders in der Nacht und am Wochenende in Hamburg zu verbessern?

„Keine Nacht allein!“ Das ist eine langjährige Forderung von Pflegekräften und der LINKEN. Es dürfen niemals in der Nacht weniger als 2 examinierte Pflegekräfte allein für eine Station zuständig sein. Wir haben zusammen mit dem DBfK und vielen anderen im Bündnis für mehr Pflegepersonal im Krankenhaus versucht, diese Forderung und überhaupt eine bedarfsgerechte Personalbemessung im Krankenhaus durch einen Volksentscheid durchzusetzen. Die Zustimmung der Hamburger Bevölkerung war groß – innerhalb von 3 Wochen, haben knapp 30 000 Hamburger*innen dafür unterschrieben. Leider hat das Hamburgische Bundesverfassungsgericht die Volksinitiative für unzulässig erklärt, so dass die landesgesetzlichen Spielräume sehr eingeschränkt wurden. Wir fordern, dass die Stadt Hamburg aber die Handlungsspielräume, die sie hat, auch konsequent nutzt: In ihrer Funktion als Arbeitgeberin im UKE eine bedarfsgerechte Personalbemessung im Tarifvertrag verankern, als Miteigentümerin von Asklepios ihren Einfluss geltend machen, um auch in den Asklepios-Kliniken eine bedarfsgerechte Personalbemessung im Tarifvertrag zu verankern und in den Pflegeheimen die Erfüllung der derzeitigen Fachkraftquote und Personalrichtwerte durchzusetzen.

3. Wie stellen Sie sicher, dass der Pflegeberuf in allen Pflegebereichen (Krankenhaus, ambulante und stationäre Altenpflege) eine angemessene und damit deutlich höhere Vergütung in Hamburg erfährt?

Um eine bessere Vergütung durchzusetzen braucht es gerade im Bereich der ambulanten Altenpflege einer stärkeren Tarifbindung. Flächentarifverträge sind hier wirksamer ein Flickenteppich aus verschiedenen Haustarifverträgen oder gar keinen Tarifverträgen. Damit alle Beschäftigten bessergestellt werden sollen diese Tarifverträge allgemeinverbindlich werden. Gleichzeitig muss sich die Finanzierung der Pflege ganz grundsätzlich verändern, z.B. mit der Einführung einer Pflegevollversicherung als Bürgerversicherung, denn zurzeit werden noch alle Verbesserungen bei der Bezahlung der Pflegekräfte in der stationären Pflege individuell auf die Pflegebedürftigen umgelegt.

4. Wie stellen Sie eine funktionierende Pflege- und Krankenhausfinanzierung einschließlich der Übernahme notwendiger Investitionskosten für Hamburg sicher? Wie stellen Sie sicher, dass notwendige Investitionskosten genutzt werden, um die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden in Hamburg zu verbessern?

Hamburg sollte seinen Investitionspflichten im Krankenhausbereich auskömmlich nachkommen. Zwar steht Hamburg im Bundesländervergleich mit seinen Krankhausinvestitionen relativ weit oben, doch das sagt mehr über die schlechte Situation in den anderen Bundesländern aus, also über eine bedarfsdeckende Finanzierung. Krankenhäuser haben fehlende Investitionsmittel der Stadt zum Teil mit Einsparungen an Pflegekräften kompensiert, so wurden „Pflegestellen zu Baustellen“. Möglich wurde das durch das sog. Fallpauschalensystem (DRG’s). Durch die Herauslösung der Kosten für die Pflege aus den Fallpauschalen soll das unterbunden werden. Als Opposition werden wir uns kontinuierlich für eine auskömmliche Erhöhung der Krankenhausinvestitionsmittel einsetzen und zudem unsere Kontrollfunktion wahrnehmen, was die Erhöhung der Pflegepersonalausstattung angeht.

Hamburg sollte seine Verantwortung für die Investitionen in die Pflege-Infrastruktur, die sich aus §9, SGB XI ergeben, wahr- und ernstnehmen. Im Moment werden die Investitionskosten der stationären Pflegeeinrichtungen einfach den Pflegebedürftigen Bewohner*innen aufgebürdet. Dazu werden wir in der nächsten Bürgerschaftssitzung einen Antrag einbringen, in dem wir die Einführung eines „Pflegewohngeldes“ fordern, das die durchschnittlichen Investitionskosten abdecken soll.

5. Welche Maßnahmen planen Sie für die Pflegenden in Hamburg, um die Voraussetzungen für gesunde Arbeitsbedingungen und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen?

Neben Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familien für alle Menschen verbessern, die Kinder erziehen, gibt es für Menschen in Pflegeberufen noch mal spezifische Bedarfe. Sie brauchen Kinderbetreuung, die auch mal zu Tagesrandzeiten stattfinden kann. Wegen des Pflegepersonalnotstands müssen Pflegekräfte ständig „aus dem Frei“ einspringen, aber Eltern brauchen gut und verlässlich planbare Schichten. Die Linke setzt sich seit langer Zeit für eine bedarfsgerechte Personalbemessung ein. Das würde auch diese Situation entschärfen und zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen.

6. Wie steht Ihre Partei zur Beibehaltung der Fachkraftquote von 50% in stationären Altenpflegeeinrichtungen in Hamburg?

DIE LINKE hat die Fachkraftquote in den letzten Jahren immer verteidigt und zwar für alle Beschäftigtenbereiche innerhalb der Pflegeeinrichtungen, besonders für die unmittelbare Pflege. Als Personalmindestgrenze war sie wichtig, um die Versorgungsqualität steuern und sichern zu können. Denn ein wissenschaftliches Personalbemessungsverfahren gibt es bis heute nicht. Gegenwärtig wird ein solches Verfahren entwickelt. Es wird einen pflegegradbezogenen Personalbedarf abbilden, aus dem sich einrichtungsbezogen ein Personalmix ergeben wird. Das bedeutet das Ende der starren landeseinheitlichen Fachkraftquote. In dem neuen Verfahren werden mit höherem Pflegegrad steigende fachliche Anforderungen dargestellt. Allerdings ist völlig offen, ob dieses wissenschaftliche Personalbemessungsverfahren verbindlich eingeführt wird. Dafür wird sich DIE LINKE einsetzen. Solange jedoch die Einführung offen ist, halten wir die bisherige Fachkraftquote weiter für notwendig.

7. Wie stehen Sie zur Übertragung von medizinischen Aufgaben (Substitution) an Pflegefachpersonal zur Gewährleistung einer adäquaten Versorgungsstruktur in der Primärversorgung?

Pflegekräfte werden nicht dadurch entlastet, dass ihnen weitere zusätzliche Aufgaben übertragen werden, sondern das belastet sie im Zweifelsfalle noch zusätzlich. Grundsätzlich ist das Gesundheitssystem in Deutschland sehr ärztlich zentriert und eine Diskussion darüber, wie die verschiedenen Gesundheitsprofessionen mit ihrer je eigenen Expertise interdisziplinär und auf Augenhöhe zusammenarbeiten sollen, würden wir sehr begrüßen.

8. Wie stehen Sie zur Pflegeberufekammer als Selbstverwaltungsorgan für die Pflegeberufe in Hamburg, bzw. wie verschaffen Sie den Vertreterinnen und Vertretern der Berufsgruppe angemessene Einflussmöglichkeiten? Planen Sie eine Befragung der Berufsgruppe hinsichtlich einer Selbstverwaltungsmöglichkeit?

Wir lehnen die Einrichtung einer Pflegeberufekammer, aus folgenden Gründen ab: Eine Pflegeberufekammer hat keinen Auftrag die Arbeitsbedingungen mitzugestalten. Die Gewerkschaft vertritt die Pflegekräfte in tariflicher Hinsicht, die Betriebs- und Personalräte vertreten die Interessen der Pflegekräfte auf der betrieblichen Ebene. Anders als z.B. bei der Ärzte- oder Psychotherapeutenkammer handelt es sich bei Pflegekräften nicht um „freie Berufe“, so dass eine (kostenpflichtige) Mitgliedschaft den ohnehin unterbezahlten Pflegekräften nicht zugemutet werden kann.

9. Wie plant Ihre Partei den DBfK als größten Berufsverband der Pflegenden an gesundheits- und pflegepolitischen Entscheidungsprozessen in Hamburg zu beteiligen?

Die Partei DIE LINKE arbeitet mit dem DBfK in Form von Bündnissen zusammen z.B. dem „Hamburger Bündnis für mehr Pflegepersonal im Krankenhaus“ Wir begrüßen auch eine darüber hinaus gehende Zusammenarbeit – auch unabhängig vom Wahlkampf und sind dafür offen.

10. Wie stellen Sie sich die weitere Unterstützung der Beteiligten bei der Umsetzung der Reform der Pflegeausbildung in Hamburg vor? Wie unterstützen Sie die einzelnen Pflegeschulen bei der Umsetzung?

Die neue generalisierte Pflegeausbildung stellt neue und hohe Anforderungen an die Auszubildenden, an die Lehrkräfte und die Praxisanleitungen. Gefragt sind bei den Auszubildenden in verstärktem Maße ein reflektierendes und ganzheitliches Herangehen und die Fähigkeit sich komplexe Inhalte im Selbststudium anzueignen. Das stellt die Schulen vor Herausforderungen, weil sich die Formen des Unterrichtens darauf einstellen müssen und die Lerngruppen heterogener werden. Lehrkräften kommt mehr und mehr die Funktion von Lernbegleiter*innen zu, sie brauchen andere didaktische Herangehensweisen, um das Unterrichten individualisiert und binnendifferenzierend zu gestalten. Und auch viele Auszubildende sind vor Herausforderungen gestellt, gerade auch wenn sie durch ihre bisherige Lernbiographie anders geprägt sind. Mit den Schulen zusammen sollten Unterstützungsmaßnahmen entwickelt werden, wie sie diese Herausforderungen meistern und sich weiterentwickeln können. Ob das nun individuelle Lerncoachings, Deutschunterricht, Auszubildenden-Vorbereitungskurse oder Fortbildungen zum Unterrichten heterogener Lerngruppe oder andere Maßnahmen sind. Die notwendigen Ressourcen müssen dafür bereitgestellt werden, damit die Reform der Pflegeausbildung gelingt, die Auszubildenden auch erfolgreich ihre Ausbildung abschließen können und der Fachkräftemangel sich nicht weiter verstärkt durch Umsetzungsprobleme bei der neuen generalisierten Ausbildung.

11. Welche Maßnahmen planen Sie zur deutlichen Erhöhung der Ausbildungszahlen in der Pflege in Hamburg?

12. Welche Ideen haben Sie, um den Pflegeberuf für SchulabgängerInnen als attraktiven Ausbildungsberuf in Hamburg zu gestalten?

Eine reine Erhöhung der Ausbildungszahlen wird den Fachkräftemangel nicht beheben. Das Problem besteht nicht in erster Linie darin, dass zu wenig ausgebildet wurde und wird, sondern es besteht darin, dass die ausgebildeten Pflegekräfte aus dem dem Beruf fliehen, dass sie wegen der enormen Belastung nur noch in Teilzeit arbeiten und kaum in ihrem Beruf bis zur Rente durchhalten. Das befördert nicht nur den Fachkräftemangel in der Pflege, sondern stellt auch für die betroffenen Pflegekräfte ein großes Problem dar. Aus einer Teilzeit-Tätigkeit resultiert oft eine Armutsrente und Pflegekräfte, die eine hohe Fachlichkeit und eine hohe Motivation für ihren Beruf haben, werden durch die ständige Überlastung ausgebrannt, demotiviert und auch krank. Das Berufsbild der Pflegekraft ist attraktiv und auch das „Image“ der Pflegeberufe ist gut, Pflegeberufe genießen eine hohe soziale Anerkennung. Deshalb braucht es aus unserer Sicht auch keine Image-Kampagnen und Ähnliches, sondern es braucht gute Arbeitsbedingungen (und gute Bezahlung), um den Beruf attraktiv zu machen.

13. Wann planen Sie einen Studiengang für Pflegepädagogik einzurichten? Wie viele Studienplätze wird dieser haben?

14. Was tun Sie, um den Aufbau eines primär qualifizierender Bachelorstudiengangs und spezialisierter Masterstudiengänge in Hamburg voranzutreiben?

15. Wie können die pflegebezogenen Studiengänge in Hamburg (HAW) weiter gefördert oder ausgebaut werden, so dass die von dem Wissenschaftsrat der Bundesregierung geforderte akademisierte Fachkraftquote von 10% am Patientenbett in Hamburg erreicht werden kann? Wie wollen Sie dazu beitragen, dass Pflegefachpersonen mit einer akademischen Aus- oder Weiterbildung in der klinischen Praxis verbleiben wollen?

16. Inwieweit planen Sie die Pflegeforschung durch eine bessere finanzielle Förderung in Hamburg zu fördern

DIE LINKE tritt für eine praxisnahe Wissenschaft jenseits reiner Verwertungslogik ein mit einem Schwerpunkt auf Erkenntnis und gesellschaftlicher Problemlösung. Das Sparprogramm des Senats mit Steigerungsraten von 0,88 Prozent der staatlichen Grundfinanzierung hat in der Vergangenheit zu einem strukturellen Defizit des Etats der jeweiligen Hochschulen geführt, das nicht einmal ausreicht um Tarif- und Preissteigerungen auszugleichen. Die Konsequenz sind hohe Drittmittelabhängigkeiten sowie prekäre Beschäftigungs-, Forschungs- und Studienbedingungen. DIE LINKE fordert deshalb eine Dynamisierung der Grundfinanzierung der Hamburger Hochschulen um jährlich 3,5 Prozent. Der primärqualizierende Studiengang Pflege wird dieses Jahr an der Hochschule für angewandte Wissenschaften starten. Wichtig ist hierbei, dass auch bei einer akademischen Ausbildung eine angemessene Ausbildungsvergütung bezahlt wird, damit die angehenden Pflegekräfte und ihre Angehörigen nicht finanziell belastet werden oder Pflegekräfte mit Bafög-Schulden in den Beruf starten, dafür werden wir uns einsetzen. Die Einrichtung eines Studiengangs für Pflegepädagogik wichtig und wird von uns unterstützt, denn Ausbildung braucht auch qualifizierte Lehrkräfte und fachdidaktische Grundlagen.

Generell muss die Pflege aufgewertet werden - durch gute Arbeitsbedingungen und gute Entlohnung, so dass akademisch und nicht-akademisch ausgebildete Pflegekräfte im Beruf verbleiben

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