Wahlprüfsteine Bitcom vom 14.01.2020

Standort Hamburg

Welche Bedeutung hat die Startup-Szene für Hamburg und die zukünftige Entwicklung des Landes aus Ihrer Sicht? Wie schätzen Sie den Startup-Standort Hamburg im nationalen und internationalen Vergleich ein (Stärken/Schwächen)? Welche Maßnahmen wollen Sie umsetzen, um Hamburg als Standort attraktiver zu machen?

Die StartUp-Szene hat für Hamburg eine große Bedeutung. Für DIE LINKE. ist, neben einer gut aufgestellten Förderlandschaft vor allem die Vernetzung der StartUps mit den bestehenden Dienstleistungs-, Gewerbe- und Industriebetrieben in Hamburg der ausschlaggebende Faktor eine prosperierende StartUp-Kultur zu unterstützen. Die Metropolregion Hamburg hat mit ihrer breit aufgestellten Wirtschaft das Potential, die innovativen Produkte der Gründerinnen und Gründer eng mit der anschließenden Anwendung und Vermarktung zu vernetzen. Je enger der Schritt von der Idee und Entwicklung hin zur Vermarktung und Anwendung gestaltet wird, umso attraktiver wird Hamburg als Standort für StartUps. Mit einer engeren Vernetzung sehen wir die Möglichkeit, dass auch aus dem Dienstleistungs-, Gewerbe- und Industriebereich Ideen über Bedarfe zurückfließen und weitere Innovationen anstoßen. Eine solche bi-direktionale Befruchtung eröffnet zusätzliche Möglichkeiten zur Stärkung und Attraktivitätssteigerung für Firmengründerinnen und -gründer.

Willkommenskultur und Migration

Welche Maßnahmen wollen Sie umsetzen, um internationale Talente in Hamburg willkommen zu heißen?

Für Migration insgesamt gilt, dass bürokratische Hürden abgebaut werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Erleichterung der Anerkennung von im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen. Außerdem ist der Spracherwerb elementare Voraussetzung für den Berufseinstieg. Hier ist es wichtig, dass es ein kostenloses Angebot an qualitativ hochwertigen Sprachkursen für alle Migrant*innen gibt. Ein solches Angebot muss es auch berufsbegleitend geben. Durch regionale Beratungs- und Begleitstrukturen soll das Ankommen hier erleichtert werden. Außerdem muss die interkulturelle Öffnung und Kompetenz der hiesigen Arbeitsmarktakteure ausgebaut werden.

Verwaltung

Mit welchen digitalen Services wollen Sie die Verwaltung ins 21. Jahrhundert bringen und Startups zeitraubende Behördengänge ersparen?

Die Digitalisierung der städtischen Services ist bisher noch keine Erfolgsgeschichte. Im Rahmen der IT-Gesamtstrategie der Stadt muss in der nächsten Legislaturperiode eine neue Roadmap erstellt werden und hier eine Abstimmung mit Handels- und Handwerkskammer über Prioritäten herbeigeführt werden, ohne dass laufende Digitalisierungsprojekte weiter verzögert werden. Darüber hinaus haben wir aber auch den Ausbau der Infrastruktur im Auge. Noch immer gibt es in Hamburg Gebiete mit mangelhafter Bandbreite. Digitalisierung ohne ein flächendeckendes und  schnelles Internet wäre hier auch nur eine Luftnummer und sogar schädlich, wenn gleichzeitig der papiergebundene Servicekanal stillgelegt würde.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Wie wollen Sie Startups durch den Abbau von Regulierung und bürokratischen Hürden entlasten? Welche innovationshemmenden Gesetze wollen Sie abschaffen? Wie wollen Sie sicherstellen, dass bei neuen Rechtsverordnungen und Gesetzen immer auch die Auswirkungen auf junge innovative Unternehmen geprüft werden?

Wir sehen hier vor allem Möglichkeiten der Differenzierung zwischen kleinen und größeren Unternehmen bei Regulierungsmaßnahmen. Eine solche Differenzierung würde für StartUps in der Regel Potential für eine erleichterte Gründungskultur bedeuten. Fast alle Vorschriften zur Regulierung liegen nicht in der Hand Hamburgs, bilden aber durch ihre Komplexität zwischen europäischer und nationaler Ebene eine hohe Hürde bei der Rechtssicherheit. Wir setzen uns für eine praktikable und überschaubare Regelung der Gestaltung des Urheberrechts ein, bei dem eine stärkere Betonung auf die freie Verwendbarkeit der Inhalte gelegt wird, abhängig vom Grad der kommerziellen Verwendung der Inhalte.

Öffentliche Vergabe

Wie kann der Staat zum Startup-Kunden werden und innovative, junge Unternehmen besser im öffentlichen Vergabeprozess berücksichtigen?

Vor allem muss das Wissen um StartUps und ihre Angebotspalette bei den Entscheiderinnen und Entscheidern bekannt gemacht werden. Gerade bei den Vergaben die ohne Ausschreibung als Direktvergabe stattfinden, soll das Land stärker auf das Potential von StartUps zurückgreifen.

Bei den Vergaben im Rahmen eines Ausschreibungsprozesses kommt es darauf an die StartUps zu einer Angebotsabgabe zu motivieren. Hier gibt es nach unseren Erkenntnissen noch einen Nachholbedarf, der durch eine entsprechende Informationspolitik und begleitende Beratung durch die Wirtschaftsorganisationen unterstützt werden muss.

Gründerkultur

Welche Rolle sollten unternehmerisches Lernen und Unternehmergeist in den Schulen und Hochschulen Hamburgs spielen? Welche Maßnahmen wollen Sie an Schulen und Hochschulen umsetzen, um junge Menschen zu Unternehmensgründungen zu motivieren und für IT-Berufe zu begeistern? Sind Sie für die Einführung eines Pflichtfaches Informatik in allen Schulformen ab der fünften Klasse sowie verpflichtendem Englisch-Unterricht als lingua franca der digitalen Welt ab der 1. Klasse?

Unternehmerisches Lernen und Unternehmergeist sollten als Teil des Politik-Gesellschaft-Wirtschaft-Unterrichts an Hamburger Schulen im Rahmen der Diskussion um politische Ökonomie thematisiert werden. Beide Begriffe repräsentieren ein bestimmtes Bild der Ökonomie aus dem 19. Jahrhundert. Die Terminologie korrekt einzuordnen gehört zur Bestärkung gesellschaftspolitischer Kompetenz von Kindern und Jugendlichen. Bildung soll sich an den lebensweltlichen Interessen der Kinder und Jugendlichen orientieren und in ihrem Ergebnis offen und frei sein.

Der Zugang zu MINT-Fächern ist immer noch abhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft. Hier muss Schulpolitik einsetzen und diese Hürden, durch gezielte Unterstützung und gleichwertige Ausstattung der Schulen, einreißen. Damit könnte zusätzliche Potentiale gehoben werden um MINT-Fächer breiter in den Schulen und bei den Schülerinnen und Schülern zu verankern.

Finanzierung

Wie wollen Sie einen besseren Zugang für Startups zu Finanzierungsmöglichkeiten und privatem Wagniskapital schaffen? Gibt es Förderprogramme des Landes Hamburg für Startups, die Sie verändern, abschaffen oder neu ins Leben rufen möchten?

Wir wollen auch in der Wirtschaftsförderung neue Wege anbieten und werden uns dafür einsetzen, dass in die Wirtschafsförderungspolitik auch die Gründung von Genossenschaften und alternativer Unternehmensformen des solidarischen Wirtschaftens mitberücksichtigt werden.

Hamburgs Wirtschaftspolitik setzt auf ihre Cluster. Die offiziellen Erfolgsmeldungen über das Wirken dieser Cluster wollen wir unabhängig evaluieren lassen. Besonders da, wo innerhalb der Cluster sichtbar Arbeitsbedingungen existieren, die nicht hinnehmbar sind, wie z.B. geringe Bezahlung, das Aushebeln von Arbeitnehmer*innenrechten, unzulängliche Tarifbindung, sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

Mit unserem Vorschlag für ein Hamburger Cluster Soziale Dienstleistung schaffen wir einen Gegenpol zur einseitigen auf internationalen Wettbewerb setzende Wirtschaftsförderung des Hamburger Senates.

Soziale Dienstleistungen sind personenbezogene Dienstleistungen, die die Bedürfnisse der Einzelnen in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Wohlfahrt betreffen. Der demographische Wandel mit einer alternden Bevölkerung, gepaart mit einer steigenden Bevölkerungszahl in den Städten, lassen die sozialen Dienstleistungen zu einem erheblichen Faktor für Arbeit und Lebensqualität werden.

Die Förderungslandschaft in Hamburg ist von ihrer Dichte gut ausgebaut. Mit dem in dieser Legislatur beschlossenen Innovations-Wachstumsfonds ist die Einbindung privaten Risikokapitals in die Förderlandschaft vorgesehen. Bei den Förderprogrammen ist über die Jahre eine nur schwer zu übersehende Struktur entstanden. Wir sehen hier in einer Intensivierung der Beratung für StartUps und angehende StartUps und einer ehrlichen Evaluation der Ergebnisse der einzelnen Programme die beste Möglichkeit diese Programme zugunsten einer verstärkten StartUp-Förderung besser zu nutzen. Bei den Genehmigungsprozessen sehen wir einen Bedarf für ein stärkeres Einbeziehen fachlichen KnowHows für eine, über den Business Plan hinaus, umfassende Beurteilung der Förderfähigkeit einer Unternehmensgründung oder eines Unternehmensausbaus. Nach unserem Eindruck herrscht hier noch zu viel 'altes Denken' in der Förderungspraxis.

Digitale Transformation

Wie will Ihre Partei Global Player, Mittelständler und Startups stärker miteinander vernetzen? Wie werden Sie die Unternehmen dabei unterstützen, fit für das digitale Zeitalter zu werden?

Wir wollen eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Absichtserklärungen, Förder- und Beratungsprogramme zur Unterstützung der Betriebe in Hamburg bei der Digitalisierung. Daraus abgeleitet wollen wir, dass eine Gesamtstrategie Digitalisierung über alle Unternehmensverbände hinweg Ziele und Maßnahmen definiert.

Wir brauchen eine bessere Integration der StartUps in die bestehenden Wirtschafts-Cluster und den clusterübergreifenden Austausch von Ideen und Anregungen. Global Player haben schon heute mehr als ein waches Auge auf StartUps, nicht zuletzt um diese im Erfolgsfall auch zu übernehmen. Uns kommt es besonders auf die Vernetzung des Mittelstands mit den StartUps an. Zum einen um den Mittelstand über die Leistungen und Angebote der StartUps zu informieren, aber auch um StartUps mehr und zielgerichtet über die Anforderungen des Mittelstands in Kenntnis zu setzen um neue Innovationen zu triggern.

Das Beratungsangebot von Handelskammer und Handwerkskammer zur digitalen Transformation für ihre Mitgliedsunternehmen muss weiter unterstützt und ausgebaut werden. Dabei muss auch darüber gesprochen werden wie kleine und mittlere Unternehmen ohne entsprechendes Fachwissen unterstützt werden können. Diese Evaluation und die daraus resultierenden Schritte müssen dann schnell und mit der Unterstützung des Landes umgesetzt werden.


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