Wahlprüfsteine Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. vom 24.01.2020

1. China:

Die enge Verknüpfung zwischen Hamburg und China zeigt sich u.a. in der seit 1986 bestehenden Partnerschaft mit Shanghai oder in der alle zwei Jahren stattfindenden „China Time“. Was halten Sie persönlich von der Initiative, am 10. März, dem Tag der tibetischen Volkserhebung 1959, wie auch anderenorts die tibetische Flagge am Hamburger Rathaus zu hissen?

Es ist wichtig Menschenrechtsverletzungen, egal wo sie stattfinden, zu kritisieren und dafür zu wirken, sie zu überwinden. Die Minderheitenrechte und Rechte von Bevölkerungsgruppen müssen in jedem Land eingehalten werden. Der Senat und die Bundesregierung haben die Verantwortung mit einer friedlichen und verantwortungsbewussten Politik dafür zu wirken. DIE LINKE tut dies. Der Konflikt in Tibet ist sehr komplex und kann nur im Dialog und durch langfristig angelegte Prozesse der Konfliktheilung gelöst werden. Das hissen der tibetischen Flagge zum Jahrestag der Erhebung 1959 am Hamburger Rathaus ist auf dem Weg zum Dialog und der Konfliktheilung kein sinnvoller Schritt. Besser wäre, wenn der Senat sich in den diplomatischen Beziehungen für eine Lösung des Konflikts einsetzt. 

2. Brasilien:

Für den Hamburger Hafen spielt Brasilien als wichtigster Handelspartner in Südamerika eine stetig wachsende Rolle. Welchen Einfluss könnte Hamburg als „Tor zur Welt“ geltend machen, um indigene Gemeinschaften und weitere Minderheiten in Brasilien zu schützen?

Momentan ist in Brasilien mit Jair Bolsonaro ein Präsident an der Macht, der systematisch Minderheiten, die indigene Bevölkerung und Oppositionelle ausgegrenzt und verfolgt. Deshalb wäre wichtig, dass der Senat in Hamburg verdeutlicht, dass er nicht gewillt ist, mit einem derart autokratischen Herrscher mit faschistoiden Zügen zusammen zu arbeiten. Die Munitionstransporte durch den Hafen müssen ohnehin sofort gestoppt werden. Insbesondere ist bedenklich, dass Munition  auch nach Brasilien, Kolumbien und in die Arabischen Emirate geht. Auch in den Handelsbeziehungen muss bedacht werden, dass Hamburg nicht dazu beitragen darf, eine Regierung wie die von Jair Bolsonaro zu stärken. Auf diplomatischer Ebene sollte von der Bundesregierung und den Landesregierungen gezielt Druck ausgeübt werden, dass die Menschenrechte und die Rechte der indigenen  Bevölkerung eingehalten und berücksichtigt werden. Der Senat sollte zudem konkrete Projekte gemeinsam mit Vertreter_innen der indigenen Bevölkerung in Brasilien entwickeln und umsetzen

3. Naher Osten:

Die Entwicklung im Nahen Osten hat durch den aktuellen Konflikt zwischen Iran und den USA eine Zuspitzung erfahren. Was halten Sie persönlich von Initiativen wie jener von Baden-Württemberg, das ein Sonderkontingent jesidischer Frauen und Kinder aufnimmt, und wie könnte Hamburg hier oder an anderer Stelle beispielhaft tätig werden?

Insbesondere die Ezid_innen sind von den Konflikten im Mittleren Osten besonders betroffen. Sie werden dort seit Jahrhunderten verfolgt. Wir Alle erinnern uns an die jüngsten Ereignisse im Sengal, als der sogenannte Islamische Staat systematisch Ezid_innen verfolgte, massakrierte und ezidische Frauen versklavte. Aber auch in den Nordsyrischen Provinzen (in Rojava) in Afrin und den Regionen um Tal Abyad und Serekaniye (Ras Al Ain), wo die türkische Armee, gemeinsam mit islamistischen Söldnern völkerrechtswidrig einmarschiert ist, sind Ezid_innen, Armenier_innen und Kurd_innen von Verfolgung und ethnisch-religiösen Säuberungen betroffen. So darf es nicht weiter gehen. Deshalb sollte die Bundesregierung für den Schutz der Ezid_innen einsetzen - z.b: durch konkreten Druck auf die türkische Regierung und eine konsequente Friedenspolitik im Mittleren Osten. Der Konflikt mit dem Iran darf nicht zugespitzt werden. Zudem sollte endlich die Kriminalisierung der politisch tätigen Kurd_innen in der Bundesrepublik beendet werden - es waren schließlich Einheiten der PKK und der YPG, die hunderttausende Ezid_innen in Sengal vor dem IS gerettet haben. Hamburg sollte zusätzlich ähnlich wie Baden-Württemberg Sonderkontingente an Ezid_innen aufnehmen. Es bedarf an mehreren Punkten gleichzeitig anzusetzen. Langfristig hilft am Besten eine friedliche Außenpolitik, die Einhaltung des Völkerrechts und die Beendigung jeglicher kolonialistischer Bestrebungen.

4. Und zu guter Letzt:

Was kommt Ihnen persönlich beim Motto der GfbV „Auf keinem Auge blind“ bezüglich Ihrer politischen Arbeit in den Sinn?

Das ist ein gutes Motto. Es ist wichtig, dass weltweit die Menschenrechte und das Völkerrecht eingehalten werden und keine ethnische oder religiöse Bevölkerungsgruppe unterdrückt wird. Dazu leistet die GfbV einen wichtigen Beitrag und auch DIE LINKE trägt mit ihrer auf Solidarität, gleichen Rechten und Frieden basierten Politik dazu bei. Es ist wichtig und gut Unrecht aufzuzeigen und Unterdrückte zu unterstützen. Dabei muss immer die Gesamtsituation und die Politik der einzelnen Akteure analysiert und betrachtet werden.

Zurück