Aus den Augen, aus dem Sinn? Senat vernachlässigt Jugendliche in Not

Sabine Boeddinghaus

Für junge Menschen ist es bitter genug, wenn sie aufgrund von Notlagen aus ihren Familien genommen werden müssen. Die Lösung ist dann oft eine Pflegefamilie oder eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Erklärtes Ziel eines jeden Senates ist die deutliche Reduktion der Zahl von Kindern oder Jugendlichen, die außerhalb Hamburgs untergebracht werden. Eine Große Anfrage der Linksfraktion zeigt aber, dass der Senat dieses Ziel nach wie vor deutlich verfehlt: Zwar ist die Zahl außerhalb Hamburgs untergebrachter junger Menschen seit 2018 (1745) leicht gesunken, sie liegt aber weiterhin erschreckend hoch: Zum Stichtag 30. Juni 2021 waren immer noch 1516 Hamburger:innen in der Altersgruppe von 0 bis 21 Jahren außerhalb der Hansestadt untergebracht. Dies betrifft vor allem männliche Babys und Kinder unter 14 Jahren. Die maximale Verweildauer Hamburger Jugendlicher ist momentan im Schnitt sogar ein Jahr länger. Die Zahl der Unterbringung junger Menschen innerhalb Hamburgs sank hingegen deutlich – und das allen Absichtserklärungen des Senats zum Trotz. Sie liegt zum selben Stichtag bei 2685. (2018 waren es noch 3390)

Noch dazu sind Hamburger Kinder und Jugendliche mittlerweile in allen Bundesländern untergebracht. Unter welchen Umständen und in welchen Einrichtungen ist dabei völlig unklar. Der Senat verweigert die Auskunft über die jeweiligen Einrichtungen mit dem Hinweis auf den Sozialdatenschutz. In der vergangenen Legislaturperiode konnte er diese Angaben noch machen (s. Drs. 21/10743). Der Linksfraktion liegen Beschwerden vor, aber der Hamburger Senat weiß offenbar von keinen solchen Vorkommnissen. Und wie sich das Leben der jungen Hamburger:innen nach der Unterbringung gestaltet, wird vom Senat statistisch gar nicht erst erfasst. 

Sabine Boeddinghaus, jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, erklärt dazu: „Der Senat hat sein Ziel, Kinder und Jugendliche prioritär hier in Hamburg unterzubringen, klar verfehlt und dabei politisch versagt. Er ignoriert zudem die notwendige Transparenz über deren Lebenssituation in den einzelnen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – als ob die jungen Menschen nicht verbriefte Rechte hinsichtlich ihrer Mitsprache und Beteiligung an der Gestaltung ihrer Unterbringung hätten. Es ist ein Armutszeugnis, wenn der Senat sich nun darauf bezieht, dass sich im Juni diesen Jahres eine Arbeitsgruppe zum Thema ‘Reduzierung auswärtiger Unterbringung - wohnortnahe Unterbringung‘ konstituiert hat. Ich erwarte dringend, dass der Senat endlich konkrete und wirksame Maßnahmen ergreift, um die Rechte der jungen Menschen – gerade auch in schwierigen Lebenslagen zu gewähren und zu achten.“