Die Linke - zweistellig: Gedanken zur Strategie für die Bürgerschaftswahl 2025

Am 2. März 2025 wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Diese Wahl ist zugleich die letzte Wahl auf Landesebene vor der Bundestagswahl im Herbst. Ein sehr gutes Abschneiden der Linken ist nicht nur wichtig für die Menschen in der Stadt, sondern auch bundesweit ein starkes Signal: Die Wähler*innen wollen die Partei im Parlament, die für die Interessen all derer kämpft, die mit ihrer - bezahlten oder unbezahlten - Arbeit den Laden am Laufen halten.

Ohne die Linksfraktion in der Bürgerschaft hätte der rotgrüne Senat derzeit lediglich eine Opposition aus CDU und AfD (und ein ganz klein wenig FDP) gegen sich. Niemand hätte in dieser Legislatur einen NSU-Untersuchungsausschuss gefordert und derart klar antifaschistische Positionen in der Bürgerschaft bezogen und verteidigt. Der Schulsenator hätte mit erheblich weniger Widerstand agieren können, die Straßenbahn für Hamburg wäre in der Versenkung geblieben, dem Bauen – Bauen – Bauen des Senats würde kein sozialpolitisch fundiertes Konzept entgegenstehen, die praktische Solidarität mit Geflüchteten und der Kampf um eine menschenwürdige Asylpolitik wären parlamentarisch kaum vernehmbar. Eine Hamburger Bürgerschaft ohne Linke, ohne soziales Gewissen, will man sich nicht vorstellen. Wir kämpfen mit aller Kraft für einen starken, zweistelligen Wiedereinzug 2025!

Mit dem Beschluss des Landesvorstands vom 10.03.2024, der die aktiven Landesarbeitsgemeinschaften auffordert, bis zum 30. Juni dem Landesverband gegenüber inhaltliche Schwerpunktsetzungen und Forderungen für das Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl ´25 mitzuteilen, haben wir den Programmentwicklungsprozess hierfür gestartet. Dieser Prozess ist Teil unserer Gesamtstrategie für einen starken Wiedereinzug in die Bürgerschaft. Wir sondieren so die großen Themenbereiche, die die Menschen in der Stadt ganz besonders beschäftigen und in denen für sie spürbar ein Kampf zwischen Oben und Unten stattfindet, in den wir Linke gestaltend eingreifen können und die wir im Wahlkampf nach ganz oben ziehen – und zwar so, dass wir konsequent zur Problembeschreibung stets konkrete Lösungsangebote formulieren. Diese Themenbereiche können z.B. Arbeit & Soziales – Wohnen & Mieten – Gesundheit & Pflege – Klima & Verkehr – Antifaschismus & Migration sein. Aus unseren Kernthemen sind vier, maximal fünf konkrete, unverwechselbare und direkt auf Die Linke münzbare Forderungen zu ziehen, die unsere zentralen Wahlkampfclaims sind.

 

1. Wofür steht Die Linke?

Gleichheit und Solidarität sind der Kern linker Politik. Denn eine demokratische, freie und vielfältige Gesellschaft ist nur möglich, wenn (zunächst: so weitgehend wie möglich) materielle Gleichheit besteht. Und wenn wir dieses gemeinsame Ziel in gegenseitiger Verantwortung und miteinander in Angriff nehmen. Der gesellschaftliche Reichtum wird von vielen eigentlichen Leistungsträger*innen erarbeitet – und sehr, sehr wenige profitieren davon am meisten. Diese dem Kapitalismus innewohnende Ungleichheit wird von den Menschen immer stärker als ungerecht empfunden und problematisiert. Das gesellschaftliche Unbehagen, die Unzufriedenheit, die Empörung zu hören, zu kanalisieren und in konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen und derer, die von den herrschenden Verhältnissen abgehängt wurden, zu überführen: das ist unsere Aufgabe. Dabei denken wir gleichzeitig in radikalen Alternativen und in kurz- und mittelfristig wirksamen, realpolitischen Vorschlägen: mit Durchsetzungsperspektive. Denn wir wollen die Verhältnisse konkret verändern.

Ein Eckstein linker Politik ist der Klassenkampf: Wir schauen kritisch und mit einem klaren Standpunkt von unten und sagen, was falsch läuft. Wir klopfen den Herrschenden auf die Finger, wir tragen Widerstand in die Gesellschaft, auf die Straße, in die Parlamente.

Aber wir haben auch den Anspruch, zu gestalten. Basis hierfür ist eine starke Verankerung bei den Menschen vor Ort: mit Sozialberatungen, mit offenen Büros, durch unterstützendes Engagement von Initiativen und Bewegungen. Hier findet der Austausch statt. Hier sammeln und diskutieren wir die Ideen, aus denen parlamentarische Initiativen, Anfragen, Anträge und Gesetzesvorschläge entstehen. Von hier aus gestalten wir progressive und ermächtigende Sozialpolitik, die Armut bekämpft und ungleiche Lebenschancen ausgleichen kann.

Wir sind konsequent solidarisch mit denen, die unsere Solidarität brauchen. Wir machen niemals Politik im Sinne der Mächtigen, sondern mit den und für die Arbeiter*innen, Angestellten, Transferbeziehenden und denen, die vom großen Kuchen allenfalls Brösel abbekommen.

 

2. Wen adressiert Die Linke Hamburg im Wahlkampf?

a. Die Wähler*innen

Entgegen manch anderslautender Meinung hat Die Linke ihre Klasse, „die Arbeiter“, „eigentlich nicht“ verloren. Vielmehr hat sich die Klasse selbst stark verändert – und damit das potenzielle Elektorat der Partei. Eine repräsentative Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat jüngst gezeigt, dass unser Potenzial in einer eher weiblichen, eher migrantischen Arbeiter*innenschaft liegt, die - anders als die Facharbeiter*innen der letzten Jahrzehnte – prekär lohnabhängig und verstärkt im Dienstleistungsbereich beschäftigt ist. Unser politisches Angebot richtet sich an die Hafenarbeiterin ebenso wie an die Reinigungskraft und den Englischlehrer.

Wir können Lohnabhängige nicht nur – wie es meist üblich ist - entlang ihrer Qualifikationsniveaus (höher/niedriger) unterscheiden, sondern auch entlang der Arbeitslogiken, die ihren jeweiligen Berufen zugrunde liegen: technische Arbeitslogik, organisationale Arbeitslogik und interpersonelle, also zwischenmenschliche. In diesem dritten Bereich, dem zwischenmenschlichen, arbeiten mit höherem Qualifikationsniveau z.B. Klinikärzt*innen oder Sozialarbeiter*innen (die sogenannten „soziokulturellen Expert*innen“); mit niedrigerem z.B. Verkäufer*innen oder Altenpfleger*innen, zusammengefasst unter dem Begriff „Dienstleistungsanbieter*innen“. Unabhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage – ob Lehrer*in oder Pflegekraft – steckt in diesem Bereich für uns viel Potenzial: Menschen, die Berufe ausüben, die der zwischenmenschlichen Logik folgen sind es gewohnt, einfühlsam zu handeln. Typisch für sie ist die Übernahme einer Klient*innen-, Patient*innen-, Schüler*innenperspektive – sehr häufig eines Blickwinkels unterer Klassen, marginalisierter Menschen. Entsprechend besteht hier größere Sensibilität für die Sorgen, Nöte und materiellen wie immateriellen Probleme von Menschen, die nicht auf der Sonnenseite daheim sind. Bei Lohnabhängigen (und auch Selbstständigen), die in diesem Bereich arbeiten, treffen unsere Politikangebote verstärkt auf Interesse und Resonanz.

Wir zielen in der Ansprache also auf „die Arbeiter*innenklasse“ oder „die Lohnabhängigen“ in all ihrer Vielfalt. Die Auswertungen der letzten Wahlen zur Bürgerschaft hatten gezeigt, dass wir verstärkt von Menschen mit Abitur und/oder Hochschulabschluss gewählt worden sind. Auch diese wieder zu erreichen – wir finden sie vor allem unter den soziokulturellen Expert*innen und in den „grün“ geprägten Milieus – und zudem mehr Lohnabhängige aus dem nichtakademischen Milieu, die tendenziell weiblich, migrantisch und im Dienstleistungsbereich beschäftigt sind: das ist unser Ziel.

 

b. Die Parteimitglieder und Bündnispartner*innen

Natürlich muss die Linkspartei gute Wahlergebnisse erzielen und dafür Menschen überzeugen, ihr ihre Stimme zu geben. Unser Selbstverständnis als Partei in Politik und Gesellschaft erschöpft sich jedoch nicht in Wahlkampf und Stimmabgabe.

Die anstehende Bürgerschaftswahl ist eine gute Gelegenheit, nicht nur Wahlkampf zu machen, sondern auch die Parteiarbeit in den Stadtteilen und Basisorganisationen zu stärken und zu verstetigen. Wir wollen Mitgliederpartei sein, also brauchen wir mehr aktive Mitglieder. Dabei helfen uns gut gepflegte Tools wie Zetkin und Die-Linke-App: mit ihnen lässt sich die Ansprache der Mitglieder gezielt steuern und lassen sich auch kurze, regelmäßige Einsatzzeiten für Aktionen planen. Dabei hilft vor allem aber ein gutes Miteinander in der BO, vor Ort: z.B. gelegentliche Frühstücke vor oder gemeinsames Kochen nach den Haustürgesprächen.

Als eine gesellschaftlich verankerte Linke für alle setzen wir auf Wahlkampfveranstaltungen und -aktivitäten gemeinsam mit unseren Bündnispartner*innen und darauf, Bürger*innen in Vor-Ort-Terminen eine aktive Rolle zuzugestehen. Denn wenig politisiert nachhaltiger, als sich gemeinsam mit anderen für ein Ziel einzusetzen: sei es im Kampf um den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum, sei es, weil öffentlicher Raum nicht entlang von Inverstor*inneninteressen, sondern im Interesse der Nutzer*innen gestaltet werden soll. Verankerung bedeutet auch, dass wir uns als Teil der Gesellschaft und ihrer Diskurse begreifen. Das bedeutet, dass sich die politische Kommunikation unserer Mitglieder nicht nur auf ihre Parteirolle am Infostand und an den Haustüren beschränken sollte. Wir sind Angestellte im Betrieb und Kolleg*innen in der Gewerkschaft. Wir sind Mitglieder im Sportverein, im Chor, in der Elterngruppe unserer Schul- und Kitakinder. Wir wollen unsere Mitglieder darin unterstützen, auch in diesen Rollen und Kontexten zu kommunizieren.

 

Der Landesvorstand hat vor diesem Hintergrund beschlossen:

Der Landesvorstand beauftragt den Geschäftsführenden Landesvorstand

  1. Einen Prozessablauf zu erstellen mit Meilensteinen bis zum 02. März 2025 und diesen Prozessablauf dem Landesvorstand in dessen Sitzung am 15.06.2024 zu präsentieren
  2. Auf Basis der Rückmeldungen aus LAGs und Bürgerschaftsfraktion einen ersten Wahlprogrammentwurf zu erstellen und diesen mit dem Landesvorstand in dessen Sitzung am 13.07.2024 zu diskutieren
  3. Das Wahlbüro inklusive einer Steuerungsgruppe für Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit einzurichten und für Ende Juli zu einer ersten Sitzung einzuladen
  4. Kontakt zu Agenturen für die Erstellung und Betreuung der Kampagne aufzunehmen. Die Entscheidung über eine Zusammenarbeit soll in der Sitzung des Landesvorstands vom 13.07.2024 erfolgen.